Taylor und ihre Swifties

Taylor Swift war in Zürich! Das war vor 3 Wochen, und es stand in der Gratiszeitung 20 Minuten. Ich hatte nie von ihr gehört, aber dann, als wir von einer Bergtour zurückkamen, sahen wir viele junge Mädchen mit hohen Stiefeln (manche mit Silberpailletten) und kurzen Röcken, die zum Konzert ins Letzigrund-Stadion wollten.

Jemand hatte herausgekriegt, in welchem Hotel die Dame abgestiegen war, und gleich gab es einen Volksauflauf. Die Polizei musste Barrieren errichten. (Am selben Tag war ein Youtuber, einer mit 20 Millionen Followers, in der Stadt, und sofort wieder eine Menschenmenge. Der junge Mann war mit einer schönen Schweizer Fußballspielerin unterwegs und wollte sie mit dem Geschenk einer Rolex-Uhr sozusagen kaufen, doch sie erwiderte, sie habe schon einen Freund. Schrieb 20 Minuten.)

Zwei Tage später gab Taylor Swift 2 Konzerte in Mailand, und das Fernsehen schätzte, es seien 180 Millionen Euro Umsatz gemacht worden; jeder Besucher habe im Durchschnitt 1400 Euro ausgegeben. Das kommt mir völlig übertrieben vor, aber klar, die Fans ziehen sich schick an, fahren zum Konzert, gehen ins Restaurant, übernachten vielleicht. Es werden zu 90 Prozent junge Mädchen sein (man nennt sie die »Swifties«), die eben sein wollen wie ihr Idol Taylor Swift. Sie singen auch mit, es gibt anscheinend kodifizierte Gesänge, weil alle ihre Lieder kennen.

Eine Sängerin, die ich verehrte: Leena Conquest, damals mit einer Band und Amiri Baraka (rechts) 2003 in Rom.

Eine halbe Minute von ihr war bei der italienischen Rai zu sehen, im Fernsehen. Taylor hat mit Country-Musik angefangen, stellt sich eben hin und singt. Nicht dass sie besonders hübsch wäre, doch man kann die Aura eines Stars eben nicht erklären. Geben wir noch einmal Adorno das Wort, der 1969 starb und immerhin die Beatles noch mitgekriegt haben wird:

Den Berühmten ist nicht wohl zumute. Sie machen sich zu Markenartikeln, sich selbst fremd und unverständlich, als lebende Bilder ihrer selbst wie Tote.

Der junge Mensch braucht Vorbilder. Viele gab es, die ihre Fans berauschten: James Dean, Elvis Presley, Marilyn Monroe, die Beatles, Madonna, Michael Jackson … Sie hatten ihren Stil, der imitiert wurde. Das kann eine Phase im Leben sein, bis man seinen Weg gefunden hat.

Elvis-Presley-Double nach einem Konzert

Mir fiel ein, dass ich vor 50 Jahren, 1974, nach München fuhr, um in einer Halle die englische Band Genesis mitzuerleben. Am Eingang herrschte entsetzliches Gedränge, ich wurde fast plattgedrückt, und dann mussten wir in der Basketballhalle auf den Rängen sitzen, und weit entfernt war die Band. Ich liebte die Doppel-LP The Lamb Lies Down on Broadway und konnte die Texte auswendig; zwei Fehler machte Peter Gabriel, ich wusste es sofort. Ich war 17, und als ich aus der Halle herauskam, beschloss ich, mir die Haare wachsen zu lassen, was mein Vater gar nicht schätzte.

Ich glaube nicht, dass ich damals Vorbilder hatte. Rory Gallagher fand ich gut, ohne dass ich mir deswegen ein schwarz-rotes Karohemd angezogen hätte wie er. Würde man wirklich berühmt sein wollen? Dann ist man ein Gefangener, kann nicht mehr ruhig seiner Wege gehen, und man ist auch ein Gefangener der Industrie und des eigenen Images. Viele sind daran zerbrochen.

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