Klage

Das Jenseits. »Was ist das Wunderbarste?« Yudhistira, König der Pandavas, antwortet in der indischen Sage Mahabharata darauf, befragt von einem weisen Yaksha: »Tag für Tag gehen zahllose Geschöpfe ein in das Reich Yamas. Doch die, die zurückbleiben, denken, dass sie nicht sterben werden: Was kann wunderbarer sein als das?

Die italienischen Zeitungen haben die Tradition der Cronaca nera: In diese »schwarze Chronik« passen Morde, unglückliche Schicksale und Verkehrsunfälle. Auf La Repubblica kürzlich gelesen, dass Beatrice Papetti, 16 Jahre alt, in der Nacht auf den 10. Juli in Gorgonzola von einem Piraten der Straße getötet wurde und dass schon am 2. Juli der Rennradfahrer Domenica Calabro in Tor Vergata in Rom totgefahren wurde. 

Am 12. Juli um halb drei Uhr morgens wurde eine 19-jährige Albanerin, die sich offenbar prostituierte, von einem betrunkenen Motorradfahrer am Straßenrand angefahren, flog 6 Meter durch die Luft und starb im Krankenhaus.  Am 15. Juli kurz nach Mitternacht raste ein betrunkener Idiot mit seinem BMW in Turin in eine Fußgängergruppe, und der 24-jährige Cristian Ascolese aus Brescia verlor sein Leben.   

Das wird nun wieder etwas morbid. Giacomo Leopardi, der Dichter aus Recanati (1798-1837) schrieb zwischen 1831 und 1835 eine pathetische Hymne an eine junge Tote: 

Dove vai? chi ti chiama
Lunge dai cari tuoi,
bellissima donzella?
Sola, peregrinando, il patrio tetto
sì per tempo abbandoni? a queste soglie
tornerai tu? Farai tu lieti un giorno
questi che oggi ti son piangendo intorno?

Wo gehst du hin? Wer ruft dich
Fort von deinen Lieben,
schönstes Mädchen?
Alleine pilgernd, dein düsteres Heimatland
verlässt du zeitweilig? In diese Räume,
kehrst du in sie zurück? Machst du eines Tages glücklich
diejenigen, die heute um dich weinen?

Der Spanier Antonio Machado (1875-1939) dichtet über das Begräbnis eines Freundes: En el entierro de un amigo. »Tierra le dieron una tarde horrible / del mes de julio, bajo el sol de fuego.« Nun auf Deutsch weiter:

Sie übergaben ihn der Erde an einem schrecklichen Abend
im Monat Juli, unter einer Sonne aus Feuer.
Einen Schritt neben der offenen Grabstelle
wuchsen Rosen mit modrigen Blättern
Zwischen Geranien mit ihrem scharfen Duft
und roten Blüten. Der Himmel
klar und blau. Es blies
ein starker und trockener Wind.
An dicken Seilen hing
schwer der Sarg, und hinunter ließen ihn
die beiden Totengräber …
Und als er auftraf, klang es hart
und feierlich in die Stille.
Der Laut des Sarges auf der Erde
ist etwas absolut Ernstes.
Auf dem schwarzen Kasten zerflogen
die schwarzen pulvrigen Schaufelladungen Sand.
Die Luft erhob auf der dunklen Grube
ihren weißlichen Atem
Und du, ohne Schatten jetzt, schlafe und ruh,
ewiger Friede deinen Gebeinen.
Du schläfst wirklich einen ruhigen und wahren Schlaf.

 

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