TestpilotInnen (76): Johannes Hagel

Für viele ist ihre Nahtod-Erfahrung schon Jahrzehnte her, und doch haben sie alles so deutlich vor sich, als wär’s gestern geschehen. Johannes Hagel aus Österreich erzählte Franz Dschulnigg, wie das 1977 war, als er, der Student auf dem Fahrrad, von einem Auto erwischt wurde.

Ausgerechnet ein Arzt, der unterwegs war zu einem Patienten, rammte das Fahrrad auf einer Kreuzung, deren Vorfahrtregelung erst 3 Tage vorher geändert worden war. Der junge Mann wurde mitsamt dem Rad hochgeschleudert und landete mit dem Hinterkopf auf dem Bordstein. Kurz vorher durchzuckte ihn ein spontaner Gedanke:

Ist es diesmal schon vorbei?

Das diesmal führt ins Grübeln. War oder ist dieses Leben als Johannes Hagel etwa nur eins von vielen; dieses Mal mit einem schnellen Ende? Er hatte das Gefühl, »das hier« seit Ewigkeiten zu kennen, doch jetzt schon Abschied nehmen zu müssen, das habe nicht gepasst. Er saß nun oben, blickte hinunter und sah sich oben selbst viele Male: links, dann rechts, und beide Male oft wiederholt wie durch ein Dutzend Spiegel abgebildet. (Das Foto unten machte ich 2012 in Knokke in Belgien, da gab es in einem Ausstellungsraum diesen verrückten Spiegel.) Vielleicht war es ein Symbol für wiederholte Leben, dachte sich Johannes Hagel.

Seine Erfahrung dauerte nicht allzu lange. Er empfand ein wunderbares Gefühl: als sei er nach einer langen Reise zu Hause angekommen. Er habe sich total wohl gefühlt. Dann ergab sich ein Dialog mit einem Umsichtbaren; es sei gewesen, als ob er »gedacht hätte, was der andere sagt« (die übliche telepathische Kommunikation). Die Stimme sagte:

Nö, nö. Das kommt nicht in Frage. Du gehst gleich zurück und machst deine Sache. Du wirst noch einigen Menschen helfen müssen. Und: Gib doch deine Ängste auf!

Hagel meinte, er sei streng katholisch aufgewachsen, da war eigentlich nur die Hölle zu erwarten, und er war kein Musterknabe, sagte er. Und er gab sich zur Antwort, das sei alles Quatsch. Sein Credo:

Der Sinn des wiederholten Lebens ist Optimierung.

So kann man das ausdrücken, wenn man Wissenschaftler ist, und es kommt einem auch richtig vor. In der Klinik waren alle verblüfft: Der junge Mann hatte nichts, nicht einmal eine Gehirnerschütterung. Auch später habe er oft »mehr Glück gehabt«, als er »verdiente«, sagte er. Bei einer Bergtour vom Mont Blanc herunter rutschte er aus, doch sein Mitkletterer konnte das Seil gerade noch um einen Stein schlingen. Eine Stimme rief ihm innerlich zu: »Verdammt nochmal, pass doch ein bißchen auf!« (Ein unbeherrschter Schutzengel!)

Die Folgen der damaligen Erfahrung für sein Weltbild formulierte Johannes Hagel bedächtig und fast druckreif. Er hat Bücher geschrieben und sich mit Psycho-Physik beschäftigt, einem Fach, das es offiziell gar nicht gibt. Hagel interessiert sich für Zufälle und ihre Verbindung zum Geist und ließ etwa 2010 in Berlin Modelleisenbahnen fahren, wobei er die Zuschauer anregte, sie telepathisch zu beeinflussen. (Das Bewusstsein kann Materie beeinflussen, jedoch nur in geringstem Maße. Wenn allerdings eine Situation unklar oder am Kippen ist, könnte sie eine dringliche Bitte in die steuern …) Aber nun Hagels Weltbild:

Ich habe keine Angst vor dem Jenseits mehr. man wird liebevoll angenommen. Ich las bei Teilhard de Chardin über den Optimierungsprozess. Die Evolution hat eine Fortsetzung im Jenseits, kombiniert mit der Idee der Liebe. Sie ist optimierbar. Die zwei Welten. Vielleicht sind für uns irgendwann die beiden Welten (irdisch/himmlisch) nicht mehr unterscheidbar, und den Tod gibt es nicht mehr. Je öfter man stirbt, desto transparenter wird es zu beiden Seiten hin.

Man sei durch die Naturwissenschaften weit gekommen und habe sich das Leben erleichtert. Ein Nachteil sei die Tabuisierung des Todes. Die Forschung in den Parawissenschaften wäre eine wichtige Ergänzung. Was könne man heute einem Sterbenden im Hospiz sagen? Nichts. Das sei traurig.

 

 

 

 

 

 

 

Die Kommentarfunktion ist derzeit geschlossen.