Der goldene Wagen
Auf gute Romane stößt man manchmal im Internet, wenn man das richtige Stichwort eingibt. So fand ich eine arabische Autorin, die in Kairo lebt, Salwa Bakr. Ihr Buch Der goldene Wagen fährt nicht zum Himmel ist von 1997, war in der Unibibliothek Freiburg vorhanden, ich holte es und las es. Sehr schön.
Schade nur, dass Frau Bakr, 1949 geboren, seither keinen Roman mehr geschrieben hat. Jammerschade. Wikipedia hat auch nur 3 Zeilen über sie. Kann man sich gleich sparen, das wirkt wie pflichtgemäßes Abhaken. Immerhin. Das Buch ist in Basel auf Deutsch erschienen (übersetzt von Evelyn Agharia), beim Hartmut Fähndrich Lenos Verlag, der seit 30 Jahren arabische Literatur verlegt und anscheinend noch existiert. Bravo. Und dann gibt es noch Litprom in Frankfurt, das sich Literatur aus Afrika und Asien widmet.
Das Buch über den goldenen Wagen spielt im Frauengefängnis in Kairo, und Asîsa malt sich aus, dereinst in diesem Gefährt in den Himmel aufzufahren. Sie überlegt sich, wer mitfahren darf, und die Frauen sollen alle prächtig aussehen, einsteigen, und Pferde mit Flügeln sollen sie in eine Dimension entführen, in der alles schöner ist. Die Suche nach dem Paradies ist anscheinend manipogo-Thema im Juli.
Das Buch ist köstlich geschrieben, mit beißendem Humor und satirischer Schärfe, und die Biografien der Insassinnen verraten viel über Leben und Schicksal von Frauen in Ägypten … und den Mann, der sie an ihrem Glück hindert. Asîsa hat ihren Stiefvater ermordet, der sie seit ihrer Kindheit missbrauchte und liebte, und den sie auch liebte, und als er eine andere Frau heiraten will, kann sie das nicht zulassen und rammt ihm ein Messer ins Herz. Hanna hingegen litt 40 Jahre unter einem sexbesessenen Ehemann, der ihr sogar als alte Frau keine Ruhe lässt, und irgendwann macht sie der Qual und dem Leben ihres Mannes ein Ende.
Kairo 1993Aida wird von ihrem Mann oft verprügelt, ihr Bruder tötet ihn im Affekt, und sie gibt an, sie sei es gewesen. Sâfija sitzt wegen Heroinschmuggels, die arme Ärztin Bahîga wegen eines Fehlers bei einer Narkose, während Sainab Mansûr wiederum einen Mann erschoss, der sie zu zerstören versuchte. Schafîka spricht kein Wort und wurde wegen Bettelei verurteilt; sie erlebte ein Trauma, als der Bruder ihre geliebte Schwester töten ließ, die eine außereheliche Affäre gehabt hatte. Es gibt noch mehr Insassinnen, und das Buch ist ein Panorama mit Lebensläufen armer Frauen, die sich im Gefängnis wohler fühlen als im Leben.
Das Buch ist ein Kaleidoskop weiblichen Lebens im Ägypten der 1980-er Jahre, mit Realismus, Hingabe und Poesie beschrieben, und Asîsa plant die Auffahrt in den Himmel, die dann auch vollzogen wird, und man kann schon ahnen wie.
am 24. Juli 2013 um 12:13 Uhr.
… jetzt bin ich neugierig und frage mich: wie lautet das „richtige stichwort“?
am 24. Juli 2013 um 12:41 Uhr.
Liebe Renate! In diesem Fall ist es banal: „arabische Autorinnen“. Da taucht dann zum Beispiel der Essay eines Gelehrten zu einem Symposion über arabische Literatur auf, der die wichtigsten arabischen Schriftstellerinnen seit dem Zweiten Weltkrieg vorstellt. Dann schaue ich, weil ich sparsam bin, nach, ob’s Bücher von ihnen an der Universitätsbibliothek Freiburg gibt und hole sie mir ab. Das Stichwort ist sozusagen das Sesam-öffne-dich, das Zauberwort, das einem die Schätze aufschließt. Nützlich natürlich auch bei Übersetzungen: Man hat einen Ausdruck, dessen Bedeutung einem nicht klar ist, man gibt ihn ein – und bekommt verschiedene Zusammenhänge. Servus Manni.
am 25. Juli 2013 um 10:22 Uhr.
Moin Moin Manni,, hab’s vermutet, dass es das „Sesam-öffne-dich“ nur im Märchen gibt und wir doch wieder selber denken müssen. Ahoi, Renate