Promis
Ich habe über den Big Brother geschrieben. Vornehmlich gehen ja Leute in den Container oder in den Dschungel, die aus dem Lichtkegel der Öffentlichkeit verschwunden sind und gerne wieder Promis der A-Klasse werden möchten. Dazu die Frage: Seit wann gibt es prominente Leute oder Promis?
In dem anderen Buch, das ich so nebenbei lese, wurde die Frage beantwortet. Das Buch ist Die Kultur der Renaissance in Italien des Basler Historikers Jacob Burckhardt (1818-1897), und man kann es sich auch aus dem Internet herunterladen. Es ist ein gelehrtes, lesenswertes 500-Seiten-Buch, und so etwa nach dem ersten Viertel lautet ein Kapitel Der moderne Ruhm, und da steht es.
Außerhalb Italiens lebten im Mittelalter die einzelnen Stände für sich, mit ihrer mittelalterlichen Standesehre. Bekannt und gefürchtet waren Könige, Kaiser und Barone, und Bischöfe, Prälaten und der Papst auch. Die Städte waren stolz auf die Reliquien von Heiligen in ihren Mauern und überhaupt auf die Werke heiliger Männer (es waren meist Männer).
In Italien waren hingegen im 15. Jahrhundert die Stände gleich, und es entstand allmählich eine allgemeine Gesellschaft. Vielleicht muss man den Buchdruck noch hinzunehmen, der sich ab 1450 zu verbreiten begann. Er ermöglichte Verbreitung von Wissen und Werken an viele (an alle, die lesen konnten). Gegen das Jahr 1500 liebte man in Italien die Literatur und orientierte sich an den antik-römischen Autoren, die immer schon nach Ruhm gestrebt hatten. Man könnte also sagen, dass die ersten nicht-adeligen Promis Schriftsteller in Italien waren. Man verehrte sie sehr. Dante Alighieri, der 1321 starb, hatte schon nach Dichterruhm gestrebt.
Burckhardt schrieb. »Der Norden dagegen besaß, bis Italien auf seine Autoren einwirkte, nur Legenden der Heiligen und vereinzelte Geschichten und Beschreibungen von Fürsten und Geistlichen, die sich noch deutlich an die Legende anlehnen und vom Ruhm, d. h. von der persönlich errungenen Notorietät wesentlich unabhängig sind.« Wichtig war damals oft der Nachruhm, darum galten Historiker und Biografen viel.
Die erste Autobiografie schrieb eine Frau, und das war in England 1375. In 14. Jahrhundert regte sich langsam der Individualismus, und auch der Bürger konnte es zu Bekanntheit bringen. 1968 sagte Andy Warhol: »In the future everyone will be world-famous for 15 minutes.« Er dachte selber oft an den Ruhm, und er hatte recht: Die Medien sollten, meinte Warhol, es den Leuten ermöglichen, berühmt zu werden. Tatsächlich gab es noch nie so viele Bekanntheiten wie heute, und alle möglichen Personen haben Wikipedia-Einträge. Das muss natürlich zu einem Verdrängungswettbewerb von Promis führen, der in einer Zeit, in der Aufmerksamkeit ein immer knapperes Gut nimmt, an Härte gewinnt.
am 23. Juli 2013 um 15:35 Uhr.
ja, früher wollte ich gerne berühmt werden… aber heute lohnt das gar nicht mehr. so viele sind berühmt und kaum ein Mensch kennt sie. Irgendwie ist man doch schon fast außergewöhnlicher, wenn man nicht berühmt ist – oder?