Zurück in der Zeit

Ein Unglück ist geschehen, ein Verbrechen ist verübt worden, und jetzt möchte man am liebsten zurückgehen in der Zeit und es verhindern. Zwei amerikanische Filme, die ich kürzlich gesehen habe, spielen das durch: Source Code (2011) und Déjà Vu (2006).

Das ist ein beliebtes Thema. 1995 befasste sich damit 12 Monkeys von Terry Gilliam mit Bruce Willis in der Hauptrolle, der aus dem Jahr 2035 zurückgeschickt wird, um eine Virus-Epidemie im Jahr 2000 zu verhindern, die den Großteil der Menschheit töten wird. 2002 kam der Minority Report von Stephen Spielberg heraus (mit Tom Cruise): Drei »Precogs« können Verbrechen schon vorher sehen, und die potentiellen Täter können festgenommen werden. Die Handlung beider Filme ist zu komplex und verwickelt, um sie kurz schildern zu können.

Bei unseren beiden Filmen ist es einfacher. Ein Attentat ist geschehen, das vielen Menschen das Leben kostete, und ein noch größerer Anschlag in einer amerikanischen Stadt ist anscheinend in Vorbereitung. Aber da es ein Programm gibt, das die Reise zurück in der Zeit gestattet, kann man das Geschehene vielleicht noch abwenden. Bei Source Code, 2011 gedreht von Duncan Jones, ist durch eine Bombe ein Vorortszug explodiert. Colter Stevens (Jake Gyllenhaal), ein US-Veteran, wird zurückgeschickt in den Zug, und ihm bleiben 8 Minuten.

Er sitzt einer jungen Frau gegenüber und macht sich an die Arbeit. Er findet die Bombe, er kommt der Wahrheit immer näher — aber immer wieder explodiert die Bombe, und er stirbt. Und findet sich in einer Kapsel wieder, lebend. Das Programm Source Code schickt ihn wieder zurück, immer wieder (deshalb muss man an den Film Und täglich grüßt das Murmeltier denken).

Doug Carlin, ein US-Beamter gespielt von Denzel Washington, recherchiert den Bombenanschlag auf eine Fähre mit US-Soldaten in New Orleans. 500 Menschen starben. Carlin entdeckt die Leiche einer Frau, die vor dem Attentat ums Leben kam — und einen (vergangenen) Anruf von ihrer Nummer in seinem Büro. War er schon einmal bei ihr? Doug lässt sich in die Vergangenheit katapultieren, 4 Tage vor dem Desaster. Er lernt Claire kennen und lieben und verhindert den Anschlag.

In beiden Filmen wird durch einen Eingriff in die Vergangenheit die Gegenwart geändert, es entsteht sozusagen eine neue »Zeitlinie«, eine andere Welt. Colter stirbt in Source Code mehrmals (durch die Detonationen im Zug) und sollte eigentlich tot sein — doch er darf Christine, die junge Frau, treffen und mit ihr zusammensein. Auch Doug müsste eigentlich tot sein, als die Sprengladung unter Wasser losgeht — und auch er kommt mit Claire zusammen, die eine andere Version von Doug erlebt. (Aller Aufwand illustriert in den USA immer nur die Boy-Meets-Girl-Geschichte, die romantische Liebe von zweien, die zusammengehören.)

Die beiden »Toten« leben also weiter. Zug und Fähre sind in einer anderen Welt explodiert; die beiden haben durch ihre Eingriffe eine neue Version der Welt erschaffen in einer neuen »Zeitlinie« und ihre Freundin mit herüber gerettet. Dieser Gedanke ist erst durch die Quantenphysik und speziell durch Hugh Everett III. entstanden, der 1957 seine Theorie über »relative Zustände« vorstellte, die Bryce DeWitt dann »Viele-Welten-Interpretation« taufte: Bei jeder Entscheidung spaltet sich die Welt in zwei unterschiedliche Versionen. Das konnte nie triftig widerlegt werden, und Science-Fiction-Autoren nutzten diesen Einfall.

Vielleicht gibt es irgendwo eine Welt, in der Hitler nie die Macht übernahm und Al Gore Präsident wurde statt George Dabbelju Bush, ohne 9/11 und ohne die Zerstörung des Libanon, Afghanistan und des Irak, wo Friede und Koexistenz herrschen zwischen Israel und seinen Nachbarstaaten. Und wo Russland und der Westen zusammenarbeiten. Vielleicht fangen wir nach der großen Katastrophe in 1000 Jahren neu an und schaffen endlich einen Planeten, auf den man stolz sein kann.

 

Die Fotos sind von der Library of Congress, Washington D. C., an die mein Dank geht. Den Amtrak-Zug hat Carol M. Highsmith fotografiert, die Fähre (hier als Tuberkulose-Station) stammt von Bains News Service (1909). 

 

 

 

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