Flugverkehr (168): Juliane fällt vom Himmel
Zwei Männer fallen aus einer Boeing, 8000 Meter tief, und überleben. Das ist der Anfang des Romans Die Satanischen Verse von Salman Rushdie (geschildert im Flugverkehr 105). Die 17-jährige Juliane Koepcke fiel, an ihren Sitz gekettet, aus einem Flugzeug in 3000 Metern Höhe, prallte auf, verletzte sich nur leicht und wurde nach 10 Tagen im Dschungel gerettet. Das ist eine wahre Geschichte.
Es war am 24. Dezember 1971. Viele wollten am Flughafen Lima nach Pucallpa fliegen (Dauer üblicherweise: eine Stunde), um mit ihrer Familie Weihnachten zu feiern. Zwei Flüge hatte die peruanische Fluggesellschaft LANSA geplant, einer fiel aus. Die Fluglinie hatte keinen guten Ruf; erst kurz zuvor war ihr ein Flugzeug abgestürzt, wobei 150 Menschen starben.
Werner Herzog, der damals junge deutsche Filmregisseur, arbeitete an seinem Film Aguirre, der Zorn Gottes und wollte mit seinem Team auch mit. Er versuchte es mit Dollarnoten — keine Chance. Später erinnerte er sich an den Jubel der 91 Auserwählten kurz vor dem Boarding.
Die Maschine geriet indessen in ein Gewitter, wurde vom Blitz getroffen und stürzte ab. Die meisten Passagiere wurden hinauskatapultiert. Juliane überlebte als Einzige. Es starben 101 Menschen, denn die Maschine war überbucht worden. Herzog mit seinem Team hatte unbeschreibliches Glück; und erst Juliane … Wir können uns dazu die letzten Minuten in einer abstürzenden Maschine ansehen, wie sie in dem Film Fearless des australischen Regisseurs Peter Weir (1993) geschildert werden: hochdramatisch. Die Hauptrolle spielt Jeff Bridges.
Kleiner Einschub: Der gefeierte amerikanische Bluesgitarrist Stevie Ray Vaughan, 36 Jahre alt, wollte am 20. August 1990 nach einem Konzert auf Eric Claptons Welttournee in Wisconsin weiter. In einem Hubschrauber war noch ein Platz frei; Ray Vaughan stieg kurz entschlossen zu. Doch der Hubschrauber stürzte gegen 0:40 Uhr im Nebel ab, und der Gitarrist starb neben dem Piloten und 3 Crewmitglieder Claptons. Was sagt man dazu?
Juliane war 3000 Meter tief gefallen. Aufwinde zuerst und weiche Lianen gegen Schluss hatten ihr geholfen. Sie befreite sich vom Sitz und folgte den ersten kleinen Wasserläufen, die zu größeren Bächen und Flüssen führen mussten. Völlig entkräftet (sie hatte 10 Tage nichts gegessen) kam sie in der Zivilisation an. 17 Jahre später rekonstruierte Herzog mit ihr selbst ihren Weg durch den Dschungel. Daraus wurde der Film Wings of Hope (2000), der auf Youtube zu sehen ist (in englischer Sprache).
Das Foto ist von Giovanna Braghetti, entstanden auf einem Inlandsflug in Peru.