Der Mord an Professor Culianu

Die Überschrift ist der deutsche Titel eines Buches, das der US-Journalist Ted Anton 1996 veröffentlichte. Ioan Petru Culianu, 41 Jahre alt, war der designierte Nachfolger des legendären Mircea Eliade an der Universität Chicago und selber schon ein berühmter Religionswissenschaftler. Am 21. Mai 1991 begab er sich kurz nach 13 Uhr auf die Toilette, und von der Kabine nebenan, von oben schoss ihm jemand (der Linkshänder) in den Hinterkopf. Der Mord blieb ungeklärt.  

Eros und Magie in der Renaissance (deutsch 1990) ist Culianus einflussreichstes Buch, und immer wieder bleibe ich an zwei schönen Stellen hängen, die ich mir notiert hatte: »Identität von Liebe und Magie. − Der Zwang durch Gewalt wird sich dem subtilen Verfahren der Magie beugen müssen.« Dies kann im Hinblick auf Culianus Ende gelesen werden, und der Profi-Journalist Anton unterlässt es nicht, auf fast okkult wirkende Vorbedeutungen hinzuweisen: dass Culianu schnell arbeitete, weil er fürchtete, nicht lange zu leben; dass er vor seinem Tod Sonderdrucke eines Buchs verteilte, das Ende Mai ohnehin erschienen wäre; dass er auf allen Fotos, die er mit seiner Verlobten Anfang Mai machte, doppelt zu sehen war.  

Temeschwar in Rumänien. Hier begann Ende 1989 ein Aufstand, der zum Ende Ceausescus führte

Der Mord hat auch eine profane Seite. Ioan P. Culianu wurde seit langem vermutlich von Securitate-Agenten verfolgt, erhielt Drohungen, und im April 1991 erschien in Rumänien ein Interview mit ihm, in dem er die Regierung scharf kritisierte. Der Mord mag als Warnung für Dissidenten und Kritiker gedacht gewesen sein. Er hatte nach Rumänien reisen wollen; da wäre er vielleicht sogar sicherer gewesen.  

Ioan Petru Culianu hat gekämpft und gesiegt. Er machte seinen Traum wahr. Seit er als 27-Jähriger ein Jahr in Perugia war, träumte er davon, Eliade zu beerben, also ein bedeutender Religionswissenschaftler zu werden. Schon mit Ende dreißig hatte er es geschafft. Culianu war Experte für die Neuplatoniker, für die Renaissance, für Magie und Divination, und er kannte sich auch mit dem Schamanismus und ekstatischen Jenseitsreisen aus. Seine Hauptaussage war, dass Religionen und Mythen einander ähnelten, weil alle Menschen ähnliche Denkstrukturen und Prägungen besitzen.   

Religionswissenschaft heute

Er war hochbegabt und clever. Indem er sich auch der Science-fiction und der Quantenphysik nicht verschloss, modernisierte er sein Fach. Seine Spekulationen waren vielleicht gewagt, seine Kombinationen kühn, aber dem Übersinnlichen ging er wohlweislich aus dem Weg. Sein letztes Buch, Out of this World, behandelt Jenseitsreisen aus allen Menschheitsepochen. In der Einführung kommt er auf die spannendste Frage zu sprechen: Wo finden diese Reisen statt? Was ist das für ein Reich des Geistes? Doch im Buch selbst breitet er nur brillant seine Belesenheit aus und geht nicht mehr darauf ein. Da wollte er nicht zu viel Spekulation riskieren und nicht zu weit gehen.

Nur in der Politik ging er vielleicht zu weit. Bei Ted Anton sagen Freunde, er habe nicht geahnt, wie sehr er sich in Gefahr begeben habe; für Culianu war eben vieles ein Spiel.   

Und da wird es wieder okkult. Am 5. November 1989 lud ihn Umberto Eco in New York aufs Podium, als sein Buch Das Foucaultsche Pendel vorgestellt wurde. »Culianu erläuterte Ecos Gedanken, dass eine Fehldeutung wichtiger wird als die Wahrheit, wenn nur genug Menschen daran glauben.« In dem Roman denken sich in Mailand Jacobo Belbo und zwei Verlagskollegen ein Geflecht aus Mysterien um Tempelritter und Geheimorden aus, bis sie bemerken, dass da tatsächlich jemand mitspielt, die Sache aber verdammt ernst nimmt. Und dann ist es zu spät.     

»Ein trockener Knall, wie ein Schuss. Musste der Hörer gewesen sein, der runtergefallen und an die Wand geschlagen war, oder auf die Ablage unter dem Telefon. Ich hörte ein Keuchen. Dann das Klicken des Hörers, der eingehängt wurde. Sicher nicht von Belbo.« 

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