Abspülen mit Thich Nhat Hanh

Thich Nhat Nanh war ein buddhistische Mönch, der als »Vater der Achtsamkeit« bekannt wurde. Als 16-Jähriger wurde er 1942 in einem Tempel in Hué zum Münch ordiniert, und dorthin kehrte er 2018 nach einem hocherfüllten Leben zurück und starb dort auch 2022, fast 96 Jahre alt. In seinem Buch Ich pflanze ein Lächeln schrieb er auch über das Abspülen.

Die Gschirrspülmaschine ist heute bei uns auch in Einzelhaushalten Standard. Nicht bei mir: Ich spüle noch jeden Abend ab und lasse nebenher auf dem Tablet Ausschnitte von arabischen Filmen oder Podcasts laufen. Unser vietnameischer Mönch würde das missbilligen. Keine Ablenkung! Sei völlig bei dem, was du tust! Das (hier leicht gekürzte) Kapitel heißt auch

Abspülen

Meiner Ansicht nach kann die Vorstellung, Geschirrspülen sei unangenehm, eigentlich nur auftreten, wenn du den Abwasch stehen lässt. Sobald du an der Spüle stehst, die Ärmelhochkrempelst und die Hände in warmes Wasser tauchst, ist es eigentlich ganz angenehm. Es macht mir Spaß, mir mit jedem Geschirrstück Zeit zu lassen, wobei mir das Geschirr, das Wasser und die Bewegungen meiner Hände ganz bewusst sind. (…) 

Wenn ich nicht fähig bin, das Geschirr voller Freude abzuwaschen, wenn ich rasch fertig sein will, damit ich mir den Nachtisch einverleiben kann, werde ich ebenso unfähig sein, meinen Nachtisch zu genießen. Mit der Gabel in der Hand werde ich darüber nachdenken, was ich als nächtes tun soll … Ich werde stets in die Zukunft gezogen werden und nie in der Lage sein, im gegenwärtigen Moment zu leben. 

Im Sonnenschein des Bewusstseins werden jeder Gedanke, jedes Tun heilig. In diesem Licht existiert keine Grenze zwischen dem Heiligen und dem Profanen. Ich muss zugeben, dass ich mit dem Abspülen ein wenig länger brauche; aber ich lebe voll in jedem Moment und bin glücklich. 

Glücklich sein durchs Abspülen! Er schreibt auch, wie schön es ist, mit der Sense zu mähen. Es kann auch schön sein, ohne Motor Rad zu fahren, mit der Hand ein paar Sätze zu schreiben, im Supermarkt einzukaufen. Zeit braucht man dazu, nichts darf einen drängen. Zuweilen überspült mich auch so ein Gefühl des Einsseins, des  völligen Zufriedenseins, das dem Glück nahekommt. Aber so zu leben wie Thich Nhat Hanh, dazu muss man vermutlich jahrelang trainieren. Das Leben – ein Wunder. Jede Sekunde – ein Geschenk.

aus: Thich Nhat Hanh, Ich pflanze ein Lächeln, Goldmann München, 1991: S. 40/41

 

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