Autofahren mit Thay
Gestern hatten wir ja Abspülen mit Thich Nhat Hanh. Bei jeder Tätigkeit sollten wir im Augenblick leben, mahnte uns der Meister, den seine Freunde Thay nennen durften. Wir holen uns von ihm einige Tipps zum Autofahren, das ja hierzulande eine häufig ausgeübte Tätigkeit darstellt. Man ist immer irgendwohin unterwegs; ich zum Beispiel fuhr gestern 300 Kilometer von Bayern nach Zürich.
Das Kapitel heißt Meditation beim Fahren und beginnt sehr schön:
Vor vierzig Jahren war ich in Vietnam der erste Mönch, der Fahrrad fuhr. Damals wurde das nicht gerade als »mönchische« Tätigkeit angesehen.
Das muss Anfang der 1950-er Jahre gewesen sein, denn das Buch Ich pflanze ein Lächeln erschien bei Goldmann 1992. Der Rad fahrende Mönch also. Leider bleibt es nicht dabei.
Heute jedoch fahren Mönche Motorrad und steuern Autos.
Auch Pfarrer taten das. Das untenstehende Bild ist aus dem Motoirrad-Museum in Bantzenheim (Elsass).
Thich Nhat Hanh wollte aufs Autofahren eingehen und verfasste einen Vierzeiler, den man vor dem Losfahren sprechen kann:
Vor dem Starten des Autos
Weiß ich, wo ich hinfahre.
Das Auto und ich sind eins.
Fährt das Auto schnell, fahre ich schnell.
Wie lautet das Gedicht Der Radwechsel von Bertolt Brecht? Er schrieb es 1953, als ein Mönch in Vietnam Fahrrad fuhr.
Ich sitze am Straßenhang.
Der Fahrer wechselt das Rad.
Ich bin nicht gern, wo ich herkomme.
Ich bin nicht gern, wo ich hinfahre.
Warum sehe ich den Radwechsel
Mit Ungeduld?
Er wusste, wohin er (ungern) fuhr: zum DDR-Kulturminister, um ein Wörtchen für Peter Huchel einzulegen, der in seiner Zeitschrift Sinn und Form mal wieder die engstirnigen Machthaber verärgert hatte; es kotzte Brecht an.
Thich Nhat Hanh oder Thay, wie ihn seine Freunde nannten, wollte bewusstes Autofahren und meint, der Wagen sei nicht nur eine technische Vorrichtung:
Wenn wir irgendein Instrument, ein Werkzeug, eine Maschine benutzen, verändern wir uns. Ein Geigenspieler wird mit seiner Violine wunderschön. Ein Mensch mit einem Gewehr wird höchst gefährlich.
Ein Mensch in einem Auto auch, meine ich.
Unser Mönch rät, nicht immer ans Ankommen zu denken und eine rote Ampel als »Glocke der Achtsamkeit« zu nehmen. Ein Stopschild auch. »Denkt an das Atmen und das Lächeln!« schärft er uns ein. Steckst du im Stau, ärgere dich nicht! (Ich ärgere mich nie vor dem Gubrist-Tunnel unweit von Zürich, da ist immer Stau. Gestern war ein langer Stau bei Brüttisellen: In Zürich wurde gearbeitet, aus Bayern kamen die Urlauber. Es ist überall Stau. Die Straßen sind zu voll.)
Thich That Nhan rät:
Lehne dich zurück und lächle dir zu, ein Lächeln voller Mitgefühl und Herzensgüte. … Genieße den gegenwärtigen Moment, atme und lächle … Das Glück ist da, wenn du weißt, wie das Atmen und Lächeln geht, weil das Glück in der Gegenwart immer zu finden ist.
Vielleicht lächelst du derFahrerin im Auto auf der Nebenspur zu. Wenn alles stillsteht, stehst du auf und gehst zu ihr und flirtest mit ihr,wenn sie das Fenster öffnet. Irgendwo ist das Glück immer zu finden.

