Text und Weissraum
Bei der Typografie geht es darum, wie man etwas druckt und Gedrucktes aufbereitet, dass es schön ist und gut gelesen werden kann. Das ist etwas, was heute langsam in Vergessenheit gerät. Wie viel Schlampiges und Chaotisches muss man sehen! Die Typografie-Fachleute treffen sich heute in St. Gallen und sprechen bis Sonntag über ihre Kunst.
Das dreitägige Typografie-Symposium unter dem Titel Tÿpo St. Gallen findet zum zweiten Mal statt. Es geht um den Weissraum (in der Schweiz gibt es kein ß), und als Leit-Zitat ein Satz von Emil Ruder: »Das Unbedruckte ist nicht eine undefinierte Leere, sondern Element des Bedruckten.«
Was ich von Typografie weiß, weiß ich von Helmut Krämer. Er hat mir beigebracht, Druckwerke kritisch anzuschauen, und so habe ich nebenbei gelernt, was zählt. Aber ich will nun nicht herumschwafeln. 20 Referenten nehmen in St. Gallen teil, und einen Namen kenne ich: Erik Spiekermann. Ich glaube, er hat eine berühmte Schrift entwickelt.
Vielleicht einfach zum Herumklicken ein paar Links von Referenten, die ihre Homepages angegeben haben, und das sind meist edle Produkte, und da sieht man, wie schön etwas aussehen kann. Ich nenne also neun Namen, die mit den entsprechenden Links versehen sind: Jonas Vögeli, Kurt Höretzeder, Erik Spiekermann, John Boardley, Susanne Zippel, Willi Kunz, Florian Hardwig, Silvio Frigg, Veronika Burian (halt, da klickt es bei mir: Sie kommt aus Tschechien, hat ihr Vater nicht die berühmten Zeichnungen meines Lederstrumpf-Buches gemacht?).
Das Schwarze sind die Buchstaben, hört man zuweilen. Der spirituelle Gedanke dazu kommt von Gershom Scholem (in: Zur Kabbala und ihrer Symbolik, 1960). Die Tora, die heilige Schriftrolle der Juden, besteht aus den ersten fünf Büchern der Bibel. Moses soll auf dem Berg Sinai mit der schriftlichen Tora auch die mündliche empfangen haben. Aber die Schwärze der Schrift ist nicht die schriftliche Tora, sondern die weiße ist es; der Raum darum herum ist es, in der das Verborgene steckt.
Die esoterische weiße Form und die exoterische (nach außen gerichtete) schwarze Form ergänzen und verschränken sich, und wie Scholem meint, gebe es gar keine schriftliche Tora; die Schrift ist durch das Medium des Mündlichen gegangen, hat dadurch Sinn gewonnen. »Alles, was wir in der Tora in festen Formen, mit Tinte auf Pergament geschrieben, wahrnehmen, sind letzten Endes schon Deutungen, sind nähere Bestimmungen des Verborgenen.« Gilt das nicht für alles Schriftliche? Was wir für fixiert halten, ist es nicht.