Die Farben der Zeit
Im Oktober habe ich zwei Filme gesehen, die die Vergangenheit zum Thema haben oder: die hin- und herspringen zwischen den Zeiten. Beide fand ich sehr gelungen. Es sind Die Farben der Zeit und In die Sonne schauen. Beide wurden bei den Filmfestspielen von Cannes im Mai vorgestellt. In die Sonne schauen, ein deutscher Film, erhielt sogar einen Spezialpreis der Jury.
Man kann über diese Filme schreiben, wird ihnen aber nicht gerecht werden. Die Farben der Zeit ist von Regisseur Cédric Klapisch und besitzt einen glücklichen Anfang: Da sitzen 30 Leute, die alle letztlich von einem Paar abstammen, und was die »Urmutter« Adele, die von der Normandie nach Paris reiste, dort um 1890 erlebte, erleben wir mit. Paris! Man könnte fast sagen, in französischen Filmen dreht es sich immer um Paris; auch wenn sie woanders spielen. Paris ist immer präsent.
Es ist eine melancholische Komödie in der Tradition von Eric Rohmer (wie haben wir dessen Filme in den 1980-er Jahren geliebt!), eine Komödie um Kunst und die Liebe, und dem Regisseur gelingt es, seine Geschichte diskret und mit Stil zu erzählen, und auch der Humor fehlt nicht. Gerade das Hin- und Herspringen zwischen Jetzt und Damals überrascht die Zuschauer und bringt Bewegung. Auch filmisch hat Klapisch ein paar mutige Akzente gesetzt; so etwas müsste Kino sich mehr trauen, finde ich. Kann man aber gut anschauen, den Film: Hier der Trailer.
Später fiel mir noch ein Vorläufer ein: Midnight in Paris von Woody Allen (2011). Ein Drehbuchautor gerät auf einer dunklen Seitenstraße in die 1920-er Jahre in Paris und trifft Hemingway, Gertrude Stein und andere Größen. Man kann mittun, darf jedoch nichts verändern. – In einer Episode der Serie Twilight Zone wird ein Mann in die Vergangenheit katapultiert: Es ist der Tag, an dem Abraham Lincoln erschossen werden würde. Der Mann kann das Ereignis, das er aus der Zukunft kennt, nicht verhindern; doch einer seiner Nachfahren wird dadurch beeinflusst, was eigentlich verboten ist. Ich glaube, dass man aus der Zukunft die Vergangenheit beeinflussen kann, doch weitreichendere Einflüsse müssten in ein Parallel-Universum führen.
In die Sonne schauen ist ein deutscher Film von Mascha Schilinksi und demnach ernst und schwermütig. Ein Bauernhof in der Altmark, die von 1949 bis 1989 zur DDR gehörte. Wir erhalten Einblick in die Leben von vier Frauen oder jungen Mädchen, die auf diesem Bauernhof und an der nahegelegenen Elbe ein ziemlich eingeschränktes Leben führen. Es ist ein sehr sinnlicher und langsam gedrehter Film, in der es nicht nur um die Vergangenheit geht, sondern auch um den Tod. Ein Mädchen lässt sich aus dem Off als eine vernehmen, die nicht mehr lebt; das sagt sie selbst. Der Trailer ist hier.
Man könnte Susan Sontag folgen, die einmal geschrieben hat, die Fotografie befasse sich mit Vergangenheit und Tod, und behaupten, das treffe auch auf Filme zu. Oft geht es um die Vergänglichkeit und das Vergangene. Kino hängt in unserer Welt fest, weil wir in ihr festhängen; es könnte aber mehr sein und mehr wagen.
Dann wollte ich noch auf einen türkischen Film hinweisen, der mir auf unserem Urlaub immer in den Sinn kam, denn es war der einzige aus jenem Land, der mir auffiel. Wir sahen ihn damals, 1982, als er erschien. Er heißt Yol – Der Weg und bekam die Goldene Palme von Cannes in jenem Jahr. Der Regisseur Yilmaz Güney ist bald darauf (1984) gestorben, und seine Überreste ruhen in Paris, wo er Asyl gefunden hatte. Die Entstehungsgeschichte dieses Films ist absolut verrückt, und statt sie nachzuerzählen, verlinke ich auf Wikipedia, die sie richtig gut und endlich einmal kompakt dargestellt hat. Besser könnte ich es auch nicht.

