Schokolade

Nochmal zu Landsberg am Lech in Bayern, etwa 25.000 Einwohner: ein ein gutes Beispiel für eine städtische Ansiedlung post-postmodernen Zuschnitts. Die Leute haben alles, und man kann ihre Kauflust nur noch durch Luxusgüter, Bric-a-brac (Krimskrams) oder überflüssiger Lebensmittel stimulieren, zu denen ich die Schokolade zählen möchte.

In der schönen Innenstadt gibt es drei Buchhandlungen, ein Dutzend Cafés, zwei Dutzend Restaurants, drei Läden mit undefinierbaren Kleinmöbeln und Nippes, Blumenläden und Schmuckläden (alles nur so geschätzt), zwei Läden mit teuren Früchten (aber keinen einigen Lebensmittelladen mehr) und eben drei Geschäfte, deren Angebot um Schokolade kreist. Oder sind es fünf? Eines ist das Ocafé am Hauptplatz mit beeindruckendem Blick auf die Fassade mit dem neugotischen Rathaus. Ein Italiener aus Friaul betreibt es. Sehr guter Cappuccino ist da zu trinken, und zu erwerben ist Schokolade in jeder denkbaren Form.  

Illustration: Rolf Hannes

Sie verkaufen im Ocafé auch witzige Postkarten, und auf einer steht: »Liebe ist eigentlich ein Ersatz für Schokolade.« Da steckt alles drin. Schokolade ist das optimale Produkt für diese Gesellschaft hier. Schokolade eignet sich gut als unverfängliches Geschenk, damit macht man nichts falsch, sie liefert einen gewissen Genuss, und dann kann man sich noch einreden, dass man das brauche und sie einen glücklich mache (weil es ein paar Studien dazu gibt, die das anscheinend erbrachten, auch wenn ich daran zweifle; doch die Meinung hält sich hartnäckig, weil man daran glauben will). 

Der Mensch braucht Süßes, und da Erotik völlig verdunstet ist und nur noch anwesend als Niederschlag in der Werbung und nach Mitternacht in Billig-Fernsehsendern (gibt es in Landsberg einen Erotik-Shop?), ist Schokolade ein Surrogat der kleinsten Münze, die sich denken lässt. Tut niemandem weh. Es ist ja auch interessant, wie die »Sünde« und das »Sündigen«, ironisch gemeint, sich in die Essgebräuche geschlichen hat. Echte Sünden gibt es keine mehr, nur noch harmlose, die man augenzwinkernd bekennen kann, worauf alle zustimmend nicken. Man hat wieder einmal ein paar Kalorien zuviel zu sich genommen, morgen gibt’s zum Frühstück Cracker. Aber was weiß ich von den Menschen? Ich schlendere ja nur durch Landsberg am Lech, wie ein Außerirdischer, und freue mich.

 

 

 

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