Das störrische Kalb

Milton H. Erickson war der berühmteste Hypnose-Arzt des 20. Jahrhunderts und beeinflusste viele Psychologen. Er lebte von 1901 bis 1980, und man wundert sich, wie er das schaffte, weil er schon als Kind ins Koma fiel, drei Mal an Kinderlähmung erkrankte, an Polio und einen Allergie-Schock überlebte. Er war ein Kämpfer. Schon als Kind, erinnerte er sich, hatte er eine Eingebung, die schon alles vorwegnahm, was er später erreichen sollte.

Erickson erforschte die Trance und schaffte es mit exakt formulierten Sätzen, diese einzuleiten – auch bei Menschen, die keine Lust dazu hatten. Er schaffte es immer, in eine Botschaft einen versteckte, implizierte Anweisung unterzubringen, und er fand wunderbare Beispiele. Als ihm jemand vorwarf, zu manipulieren, erwiderte er: Wenn ich Speisen richtig würze, dann sage ich auch nicht, ich hätte sie manipuliert. 

Eines meiner gelungensten Fotos: Der Juror. (Prämierung der schönsten Kuh, Kaien/Rehetobel, 2006)

In der Geschichte geht es um ein störrisches Kalb. Sie steht in dem Buch Hypnose, das Milton H. Erickson zusammen mit Ernest L. und Sheila L. Rossi geschrieben und 1976 veröffentlicht hat. Es geht um die Gegenhaltungs-Doppelbindung:

»Mein erster absichtlicher Gebrauch der Doppelbindung, an den ich mich noch gut erinnere, geschah im frühen Knabenalter. Eines Wintertages bei Nullgradtemperatur führte mein Vater ein Kalb aus dem Stall zum Wassertrog. Nachdem das Kalb seinen  Durst gestillt hatte, gingen sie zurück zum Stall, aber an der Türöffnung versteifte das Kalb eigensinnig seine Beine, und obwohl mein Vater verzweifelt am Halfter zog, konnte er das Tier nicht von der Stelle bewegen. Ich spielte draußen im Schnee, beobachtete die Stockung und begann herzhaft zu lachen. 

Mein Vater forderte mich auf, das Kalb in den Stall zu ziehen. Als ich erkannte, dass es sich bei dem Kalb um unvernünftigen eigensinnigen Widerstand handelte, beschloss ich, ihm volle Gelegenheit zu geben, damit es Widerstand leisten konnte, denn das wünschte es anscheinend zu tun. Dementsprechend verwandte ich bei dem Kalb eine Doppelbindung, indem ich es am Schwanz ergriff und weg vom Stall zog, während mein Vater fortfuhr, es nach innen zu ziehen. Das Kalb zog es sofort vor, der schwächeren der zwei Kräfte zu widerstehen und zog mich in den Stall.« 

Psychiatrie-Patienten sind auch oft störrisch und wollen überhaupt nichts erzählen. Also schärfte Erickson ihnen mit der Gegenhaltungs-Doppelbindung ein, sie sollten eine bestimmte Information diese Woche nicht enthüllen, bestimmt nicht! Dies erlaubt ihnen, sowohl zu widerstehen als auch nachzugeben, und manchmal plaudern sie sofort. In dem Satz steckt auch ein implizierter Vorschlag, und auch die Geheimdienst haben sich solcher okkulter Methoden bedient, und nur die Dummen foltern. 

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