Der Papagei

Der letzte Auszug aus den Krishnamurti-Papieren Commentaries on Living (1980) ist schon wieder lange her. Vergangenen Juli war es. Nehmen wir den Faden wieder auf und übersetzen wir ein kleines Stück, in dem ein Papagei auf einem Ast sitzt. Ein grüner Papagei ist es, einfach so.

»Ein einziger Papagei hockte auf einem toten Ast in einem nahegelegenen Baum; er putzte sich nicht, sondern saß sehr still, doch seine Augen bewegten sich und waren lebhaft. Er war von einem zarten Grün, mit einem leuchtenden roten Schnabel und einem langen Schwanz von noch blasserem Grün. Du wolltest ihn berühren, um seine Farbe zu spüren; aber wenn du dich bewegen würdest, würde er wegfliegen. Obwohl er völlig still war, wie ein eingefrorenes grünes Licht, konntest du fühlen, dass er auf intensive Weise am Leben war, und er schien dem toten Ast, auf dem er saß, auch noch Leben zu verleihen. Er war so erstaunlich schön, dass es dir den Atem nahm; du wagtest kaum, deine Augen von ihm zu nehmen, aus Angst, er könne blitzschnell fort sein. Du hattest Dutzende Papageien gesehen, die sich in ihrem verrückten Flug fortbewegten, auf Drähten hockten oder verstreut auf den roten Feldern mit jungem, grünem Getreide. Aber dieser einzigartige Vogel schien das Zentrum allen Lebens zu sein, aller Schönheit und Perfektion. Es gab nichts außer diesem lebendigen Fleck von Grün auf einem dunklen Zweig gegen den blauen Himmel. Es gab weder Worte noch Gedanken in deinem Geist; du warst dir nicht einmal bewusst, dass du dachtest. Die Intensität von allem trieb dir Tränen in die Augen und machte dich zwinkern – und gerade dieses Zwinkern könnte den Vogel verjagen! Doch er blieb, wo er war, reglos, so geschmeidig und schlank, und jede Feder war an ihrem Platz.

Nur ein paar Minuten vergingen, doch diese Minuten gaben dem Tag Sinn, dem Jahr und der ganzen Zeit; in jenen wenigen Minuten lag alles Leben, ohne Ende oder Anfang. Es ist keine Erfahrung, die im Gedächtnis aufbewahrt werden müsste, ein totes Ding, das am Leben erhalten wird durch den Gedanken, der auch einmal stirbt; diese Erfahrung ist völlig lebendig, darum kann sie nicht unter den Toten aufgefunden werden.
Jemand rief vom Haus hinter dem Garten, und der tote Ast war plötzlich leer.«

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