Der Untergang der ungarischen Juden
Als am 19. März 1944 die Deutschen kamen, lebten in Ungarn noch 750.000 Juden. Nur Ungarn war noch von Deportationen verschont geblieben, denn Admiral Horthy hielt die Deutschen hin, und außerdem war das Land ja ein Verbündeter. Doch dann dauerte es keine vier Monate, und nur noch 250.000 Juden, vornehmlich in Budapest, waren am Leben.
Raoul Hilberg betonte in seinem Buch Die Vernichtung der europäischen Juden: »Die Deutschen wollten Geschichte machen; die Ungarn wollten lediglich Gebiete annektieren.« Schon im April 1943 machte Hitler Horthy klar, was ihm wichtig war. Wie in dem Buch Der Tod ist ein Meister aus Deutschland (von Lea Rosh und Eberhard Jäckel) die Historikerin Maria Schmidt sagte: Er »beschwerte sich, dass die Juden in Ungarn ein so schönes Leben haben. Horthy hat darauf geantwortet, dass er den Juden doch alle Lebensmöglichkeiten entzogen und sie total entrechtet habe, er könne sie doch nicht alle totschlagen. Worauf Hitler nur sagte: Eben das erwarten wir von ihnen, dass Sie sie vernichten und totschlagen.«
Hilberg dann: »Am 19. März 1944 überschwemmte ein Heer von deutschen Polizeifunktionären, Kommissaren, Koordinatoren und Beratern das Land. Diese Beamten … lenkten von unzähligen Dienststellen … die ungarischen Geschicke. (…)« Schon zwei Tage später kam Eichmann, der Organisator der Morde, mit seinen Männern nach Budapest. »Diese Männer waren kaum eingetroffen, das deutsche Regime in Ungarn kaum etabliert, da wurde der Vernichtungsprozess auch schon mit einem Tempo und einer Effizienz in Gang gesetzt, die die geballte Erfahrung mehrerer Jahre europaweiter Deportationen offenbarten.« (Band 2, S. 886/887)
Die Deutschen wussten, dass der Krieg verloren war, die ungarischen Juden hätten gewarnt sein sollen, und dennoch rollten die Züge Richtung Auschwitz. Die Alliierten schauten tatenlos zu. Am 9. Juli, also keine vier Monate nach dem Beginn der Deportationen, waren aus den fünf Zonen Ungarns 437.402 Menschen nach Auschwitz gebracht worden, um dort vergast zu werden.
Die Alliierten waren schon in Frankreich gelandet (am 6. Juni), und dennoch beschäftigte die Deutschen die geplante große Aktion gegen die Budapester Juden, und Ribbentrop, der Außenminister, ließ den Ungarn eine Botschaft zukommen, in der es hieß: »Der Führer erwartet, dass nunmehr ohne jede weitere Verzögerung die Maßnahmen gegen die Budapester Juden von der ungarischen Regierung durchgeführt werden …« (Aus diesem Grund war bei der Deutschen Presse-Agentur, auch in den Jahren nach 1986, als ich da tätig war, das Verbum durchführen verboten.)
Es näherten sich die Russen, aber »Eichmann hatte keine Ruhe, solange auch nur ein einziger ungarischer Jude noch am Leben war«, schreibt Hilberg. Es wurden Trecks mit tausenden Arbeitssklaven im Herbst in Richtung Mauthausen in Marsch gesetzt, die Juden in Budapest in ein Ghetto gesperrt, wo viele von natonialsozialistischen Pfeilkreuzlern ermordet wurden, verhungerten, erfroren und im Bombenhagel umkamen. Als am 13. Februar die Russen Budapest eroberten, lagen 10.000 tote Juden in den Straßen.