Frankreich und seine Bestatter

Vor kurzem fotografierte ich in Mulhouse das Plakat eines Beerdigungsunternehmens. Ich musste zwei Mal hinschauen, bis ich begriff, worum es ging. Da fiel mir ein, dass ich in Frankreich schon einmal ein merkwürdiges Plakat einer Bestattungsfirma fotografiert hatte, und dann waren da die beiden Mitarbeiter einer Firma im Zug …

Aus drei Beispielen kann man nicht leicht eine Theorie zimmern. Aber ich wollte mir überlegen, was das bedeutet, und dazu ist manipogo ja da: mit ein Forum für meine Gedankenwelt zu bieten, und manchmal entstehen die Gedanken allmählich beim Schreiben. (Heinrich von Kleist schrieb einmal den Aufsatz: Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden, online hier.) 

Das kürzlich fotografierte Plakat (unten) trägt den Text: »Leben Sie in der Gegenwart!«

Mal ehrlich: Würde man auf ein Bestattungsinstitut tippen? Im ersten Augenblick würde man denken: ein Seniorenheim; ein Reiseunternehmer; eine Firma für Kurzzeitpflege; ein Motorradverleih. Was sagt mir das Bild? Der Bestatter ist ja für die Hinterbliebenen da. Will die Firma Alain Hoffarth zeigen, dass sie – trotz ihrer Beschäftigung mit dem leidigen Tod – dennoch ganz in der Gegenwart lebt? Dass sie über den Sensenmann lacht? Jedenfalls ein sehr weltliches Bild.  

Das zweite Plakat hatte ich vor ein paar Jahren in Südfrankreich fotografiert. »Unser Motiv: Preise ganz tief« ist der Text unter dem Namen (wörtlich: Unser Kampf um den niedrigsten Preis).

Das ist irgendwie auch daneben; stil- und pietätlos ist es. Bei einer Bestattung redet man doch nicht über Geld! Es geht ja nicht um einen neuen Rasenmäher! Aber anscheinend zieht es, denn andernfalls hätte man das Plakat nach lautstarken Protesten längst weggetan. Auch hier, scheint mir, eine ganz weltliche Ansicht: Der Bestatter zeigt, dass er eine ganz normale Arbeit verrichtet, für die er natürlich gute Preise macht und darin so ist wie ein Baumarkt: Ich bin doch nicht blöd!  

Und dann, vergangenen September im TGV von Mulhouse nach Süden, saßen mit mir im sonst fast leeren Abteil zwei jüngere Männer unweit von mir und redeten sehr engagiert und lang über ihre Arbeit. Zwischendrin stiegen sie immer wieder mal aus und rauchten eine Zigarette. Irgendwann begriff ich dann, was ihre Arbeit war, denn immer wieder tauchten die Worte Sarg und Sargtransport auf. Ich denke, sie hätten auch in einem vollbesetzten Abteil so begeistert über ihren Job geredet – und sie fuhren ohnehin zu einer Konferenz von Bestattern nach Grenoble, wie sie mir sagten.  

In der Französischen Revolution wurde ja gleich ganz der Glaube verboten, ein eigener Kalender wurde eingeführt, und um 1806 brach sich die Säkularisierung (Verweltlichung) Bahn. Klöster mussten ihren Besitz abgeben und wurden geschlossen, Kirchen verwüstet. Auch heute herrscht in Frankreich anscheinend ein besonderes Verhältnis zu Glaube und zum Tod: ein lockeres, pragmatisches.

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