#26 Ende

Es gibt wieder eine neue Kritische Ausgabe, Nummer 26 in elf Jahren, und sie heißt Ende. Gemacht wird die Zeitschrift für Germanistik & Literatur hauptsächlich von Studenten der Uni Bonn, die sie mir regelmäßig zuschicken, weil ich auf deren Internetseite K. A. plus über sechs Jahre meine Kolumne Ausreißversuche hatte (von 2006  bis 2012).

Die Studenten sind ja produktiv und schreiben lange literaturwissenschaftliche Artikel. Anne Sommer und Michael Preidel leiten in das 114 Seiten lange Heft ein, das ästhetisch schön gestaltet ist und gut in der Hand liegt. 23 Artikel von großer Tiefe und Gedankenschwere sind versammelt, und erwähnenswert ist der (aufwendige) Einfall von fünf Autoren (Frank Cronau, Ralf Dulisch, Miguel García Martinez, Frank Genahl, Volker Klüting), einen Artikel rein aus letzten Sätzen von Romanen zu erstellen. Das kommt dem Grundgedanken von Literatur sehr nahe. Erster Preis!

Ich hatte noch 2012 in meiner Kolumne über letzte Sätze in Romanen geschrieben und kam mir bedeutend vor; aber, wie mein Freund Helmut gern sagt, seien geniale Einfälle oft die Folge von mangelhafter Lektüre, und so hatten sicher schon andere den Einfall, das Ende und nicht den Anfang von Romanen zu behandeln, wovon das Ende-Heft zeugt.

Wolframs Schweigen von Matthias Däumer, der erste Artikel, behandelt den Cliffhanger und ist überfrachtet und bestehend aus diesem verquasten Soziologen- und Linguisten-Jargon, das Literaturwissenschaft ist. Irgendwie bin ich zur Zeit etwas genervt von allem, ich kann meine nächste Reise kaum erwarten, und darum sind Exkurse etwa über den Einfluss von Cesare Pavese auf Hans Erich Nossack das Letzte, was ich brauchen kann.

Björn Hayer nennt Ulrich, den Helden von Musils Mann ohne Eigenschaften einen Open-source-Menschen und spekuliert mit dem Netz herum, und damit zerlegt und zerschneidet er alles, was mir dieser Roman bedeutet. Zu welchem Nutzen betreibt man Literaturwissenschaft? Was ist der Sinn? Man kann ja ein Phänomen auf einer anderen Ebene intellektuell abhandeln, nur sollte dabei ein Erkenntnisgewinn herausspringen. Jedoch vernebelt einem der Jargon der Literaturwissenschaftler den Sinn.

Wenn man Leben im Labor erforschen will, müsste man das Lebewesen töten und es dann untersuchen; aber dann ist das Leben fort. So ist das mit der Literaturwissenschaft und der Literatur. Ich habe einen Roman angefangen und merke, dass die Theorie mich nicht weiterbringt. Wenn ich mich schreiben lasse, wird es eben so, wie es immer wird. Ich möchte eine Atmosphäre schaffen und Gefühle übermitteln, mehr nicht. Die Leser sollen mitgenommen werden. Es muss gut gemacht sein (so gut, wie es geht; perfekt), und das Ergebnis wirkt auf jeden einzelnen Leser anders. Wenn es wirkt.

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