Schwermetall

Die Innsbrucker Zeitschrift Grenzgebiete der Wissenschaft erscheint seit über 62 Jahren. Herausgeber ist Pater Andreas Resch, der im Herbst 80 Jahre alt wird. Kürzlich hat er mich verblüfft: Im ersten Heft 2014 ist der Artikel  Dein Fuß wird baden im Blut abgedruckt, in dem Sebastian Berndt sich mit der Metal-Musik, ihren Grenzüberschreitungen und dem Bösen in ihr auseinandersetzt.

Es ist eine geraffte Fassung der Dissertation Metal und Christentum, mit der Berndt 2010 in Erfurt im Fach Moraltheologie seinen Doktortitel erhielt. Der Autor ist heute 35 Jahre alt, Metalfan seit 1998 und katholischer Blogger seit 2009, wie es in seiner Kurzbio heißt. Verheiratet, 5 Kinder.

Ende der 1960-er Jahre entstand der Hard Rock, zehn Jahre später Heavy Metal. Sein Rhythmus wird metrisch exakt gespielt, hat melodische Gitarrensoli, und sein Gesang ist »clean« – ganz anders als im Ende der 1980-er Jahre zur Wirkung gelangten Death Metal und seinem »Growling« (Knurren, Grunzen), der sich aus dem langsamen Doom Metal und dem pfeilschnellen Thrash Metal entwickelte, in dem gebrüllt, während ab Anfang der 1990-er Jahre im Black Metal vornehmlich gekreischt wird. Entscheidend im Metal ist, wie  Berndt schreibt, die hervorgerufene emotionale Wahrnehmung. Für negative Emotionen bedient man sich den Mitteln der klassischen europäischen Kunstmusik.

Doom Metal könne ein Spektrum von Trägheit über Trauer bis zu Verzweiflung vermitteln, Death Metal flößt Zorn ein, Black Metal mit seiner »okkult-religiösen Erhabenheit« könne Gefühle von Stärke, Hochmut und Stolz hervorrufen, Heavy Metal Kampfbereitschaft und Edelmut, und Thrash Metal könne zu Rache und Gewalttätigkeit aufpeitschen. Dabei werden Grenzen um der Grenzüberschreitung willen überschritten: Auflösung der Liedstrukturen, Verzerrung, eigenartiger Rhythmus, ein Gesang, der kein Gesang ist, unberechenbare Effekte …

Doch dem stehen auch Kontrolle und Wiederholung gegenüber: Die Musiker müssen ihre Instrumente perfekt beherrschen, es wird exakt produziert, und der gleichbleibende Rhythmus sowie das Riff – ein stetig wiederholter melodischer Abschnitt – bedeuten Kontinuität. Grenzüberschreitung und Kontrolle vermischen sich auch im Moshpit, der etwa dem Pogo entspricht und ein wildes Miteinander-Tanzen ist, das einer Prügelei ähnelt, in der man sich aber nicht verletzt.

Metal ist ein Raum, in dem man Emotionen auslebt, die sonst nicht zulässig sind. Durch die Musik werde, schreibt Sebastian Berndt, »das Böse als Böses in einer Weise zugänglich und erfahrbar, die der Rationalität grundsätzlich verschlossen bleiben muss.« Könnte man sagen, dass Metal die rechte, männliche, die Yang-Seite einer aufs Unbewusste und den Körper abzielenden Musik darstellt, Techno die weibliche, ganzheitliche, das Yin-Spektrum? Beides fährt ins Blut, und niemand, der ohne Vorurteile ist, kann da stillsitzen.

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