Berg und Strand

Die letzte Nacht in Italien verbrachte ich in Como, und man sah die Berge, und der Campingplatz wirkte etwas alpenländisch, mit Holzhäuschen aus dunklem Holz und einem Restaurant mit Veranda, das auch im Campingplatz Altdorf hätte stehen können. Die Preise waren fair, die Plastiktischtücher schon ein wenig abgegriffen, und der Salat kam in der Plastikschüssel.

Aber es gefiel mir. Es war dunkel, lauschig, und etwas verloren. Man muss im Tourismus die Welt der Berge der Welt des Strandes entgegenstellen. Das geht nicht ohne Generalisierungen. Die Berge umgeben den Menschen, er fühlt sich gleichzeitig bedroht und beschützt und versteckt sich. Er kennt die Elemente und ist eigentlich konservativ. Das Leben in den Bergen ist hart, und der Reisende ist generell ein Kamerad, ist einer, dem man Unterschlupf gibt. Die Berge sind die Welt des Unbewussten, der Dunkelheit, des Religiösen. In der Sage herrschten auf den Bergen die Götter.

Das Meer ist nur Hintergrund und Folie, und wenn man nicht hinausfährt, ist es am Strand nicht gefährlich. Man tut das Gegenteil vom Bergler: Man stellt sich aus, man flaniert, posiert und promeniert, zeigt seine Klamotten und seinen Körper her. Der Tourismus ist auf Schau und Effekt ausgerichtet. Die Restaurants haben trendige Namen. Das Personal gibt den Touristen das Gefühl, dass sie Promis sind. Das Meer ist die Welt des Bewusstseins, des in der Sonne etwas verblendeten Hierseins, dem Gedächtnis, Geschichte und Tragik fehlt. Man lebt und denkt nicht an morgen oder gestern.

Wie die Bergwelt zu dunkel und wortkarg ist (das Unbewusste spricht nicht), so ist die Strandwelt zu laut, verlogen und nicht ganz seriös. Sie ist auch nur für heute. Die Fassaden sehen schick aus, und im gelben Licht der Laternen, umschwebt von Tönen, scheint das Leben mondän und luxuriös. Jeder ist ein Sieger. Doch die Häuser sind schnell gebaut worden, Potemkinsche Dörfer, und die früher schönen Fassaden blättern schnell ab und stimmen noch trauriger als die etwas in die Jahre gekommenen Bauten der Alpenwelt. Plötzlich merkt man, wie vergänglich diese lärmende Bewusstseinswelt ist.

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