Der Barmann

Wer alleine reist, freut sich über die vielen neugierigen Sizilianer, die fragen: Wo kommst du her? Wo willst du hin? Er trifft andere Reisende, braucht aber auch neutrale Zuhörer und Gesprächspartner wie im normalen Leben, und da kommen Campingplatzverwalter, Hotelbesitzerinnen und Barmänner in Frage.

An meinen beiden letzten Tagen in Italien hielt ich mich wie schon zwei Male zuvor auf dem Camping Misano Adriatico auf, den Diego und Sylvia leiten. Dass es da ganz hinten in einem Häuschen eine Bar gab, erfuhr ich zum ersten Mal. Also trank ich da einen Kaffee, und so bildete sich eine Spontanfreundshaft zu Marco heraus, der von halb sieben morgens bis halb neun Uhr abends die Bar betrieb. Er war 39 Jahre alt, stämmig, mit Bärtchen und hochgekämmten Haaren, viel Tätowierungen an den Oberarmen (die Namen seiner Kinder, einen Adler). Geschieden, durch die Scheidung sein ganzes Geld verloren, und so fing er von neuem an.

Marco war ein Schatz. So saß ich oft bei ihm, wir redeten über alles Mögliche, am 1. Juni war ich etwas niedergeschlagen und erzählte ihm meinen Kummer, ja, kannte er auchg, die Schatten der Vergangenheit … Der Barmann, diskret und verständnisvoll, ist in aller Welt der Helfer der Sorgenkinder des Lebens oder derer, die einmal etwas Schweres zu verarbeiten haben. Wenn man ein gewinnendes Wesen hat, findet man schnell Zugang zu den Italienern, und man findet auch viele verwandte Seelen: Anarchisten, Linke, Künstler und Romantiker. Alle leiden am Leben und suchen einen guten Weg hindurch.

So ist man überall fremd, auf dieser ganzen Welt fremd, aber gleichzeitig überall zu Hause, so zu Hause, wie man es eben sein kann, wenn man auf Gleichgesinnte stößt. Man trifft auch die üblichen Dumpfbacken und Unerleuchteten, aber was diese Reisen wertvoll und erhebend macht, sind die kleinen und kurzen Verbrüderungen … wie zwischen Syracus und Catania in wüstem Land, als ich zu einer Gruppe von acht Radlern aus Crema aufschloss, fünf Männer und drei Frauen, und wir fuhren gemeinsam, machten vor dem Ortsschild Catania Fotos, und der Abschied war so warm und herzlich, als müssten wir uns nach vielen verbrachten Jahren trennen, alte Freunde, die wir waren.

 

Da flammt unglaubliche Herzlichkeit und Wärme auf, wie es das unter Radfahrern gibt, weil sie unterwegs sind und etwas Hartes unternehmen. Sie müssen sich gegenseitig helfen, der Geist der Abenteurer und Waldläufer meldet sich, Solidarität entsteht und das Gefühl, dass wir gemeinsam unterwegs sind: gemeinsam.

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