Herz der Finsternis

In Bad Krozingen gibt es in einem Park ein Regal mit gebrauchten Büchern, und da fischte ich Herz der Finsternis von Joseph Conrad heraus. Das musste ich nach 20 Jahren noch einmal lesen! (Kann man auch auf Projekt Gutenberg.) Großartig und verstörend ist es.

Joseph Conrad war Pole, Ende 1857 in der heutigen Ukraine geboren. Er fuhr zur See und wurde Kapitän, und dann ließ er sich in England nieder und schrieb in englischer Sprache Romane über das Leben auf See, seine Erfahrungen verwertend. Der Erfolg kam erst 1913 mit Chance, da war er 56 Jahre alt. 1924 starb er, geachtet und berühmt. (Illustration: 1923 bei einer Reise in die USA. Library of Congress, Washington D. C.)

Er schrieb ein individuelles Englisch (seine Muttersprache war Polnisch, und als Kind hatte er Französisch gelernt) und bildete einen unverwechselbaren Stil aus. Seine Landschaftsschilderungen sind unglaublich, und schon als ich jung war, genoss ich seine Sätze – jeden von ihnen – auch in der deutschen Übersetzung, und das will etwas heißen.

Heart of Darkness erschien 1899. In der Dämmerung an der Themse-Mündung erzählt Marlow von seinen Erfahrungen in Afrika als Kapitän in Diensten belgischer Kolonialisten. Der Höhepunkt ist die Reise den Kongo entlang zur Station des rätselhaften Kurtz, dem erfolgreichen und skrupellosen Elfenbein-Händler, der sich von den Eingeborenen verehren lässt.

Man kann nicht anders, als in Kurtz eine frühe Verkörperung Hitlers zu sehen: den Rattenfänger mit hoch- und hohltönenden Phrasen, dessen Stimme ihn berühmt machte und der an den Rand eines seiner Essays über die Eingeborenen schreibt: »Man muss sie alle ausrotten!« Kurtz‘ spirituell klingenden Ergüsse paaren sich mit entsetzlicher Grausamkeit, die den Roman prägt. Die Gier des Kolonialismus herrscht, und die Afrikaner sind für die Kolonialisten bloß »Vieh«.

Schön ist, was auf dem hinteren Umschlag der Diogenes-Ausgabe steht. Es ist der Auszug aus einem Brief von 1938 des Dichters und Arztes Gottfried Benn (1886-1956), der sich ab 1933 einige Jahre für den Nationalsozialismus aussprach:

»Ich mag auch alle Breiten und Palavers bei Conrad unendlich gern, finde sie interessant, mich fesselt jeder Satz. Weil sie gänzlich erfüllt sind vom Zweifelhaften, Klamaukhaften des Schreibens und Kunstmachens, daher diese andauernden Positionswechsel, Abbrechen, Ansetzen, Andeuten, Raunen, Vergessen. Dann gefällt mir, wie er kleine Züge so riesig aufbauscht, überhaupt ist er doch ein sehr sicherer Mann! Kennen Sie Herz der Finsternis? Kurz, sehr lesenswert!«

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