Deus ex machina
Deus ex machina, der »Gott aus der Maschine« … ich will mich nicht bei Wikipedia kundig machen; soviel ich weiß, war das am Ende eines Theaterstücks eine überraschende Wendung, mit der keiner gerechnet hatte, ein fast überirdischer Eingriff, weshalb auch Gott dafür herhalten musste.
Ich habe kürzlich einen schönen beschaulichen Film gesehen, im Kino, bei dem der Hauptdarsteller völlig überraschend abberufen wurde. Ich will den Titel nicht nennen, vielleicht errät ihn jemand. Der Darsteller starb durch ein Fahrzeug. Deus ex machina ist heute meist ein Verkehrsunfall, kann immer passieren, und wenn man jemanden sterben lassen will, ist das die übliche Wahl.
Ich erinnerte mich an einen vertrackten italienischen Film: Vier Jungs hatten vermummt ein Mädchen vergewaltigt, das Mädchen verliebt sich in einen der vier, und ich dachte: Was nun? – Und was? Der betreffende Junge, in den sich das Mädchen verliebt hatte, wurde bei einem Unfall getötet. Ich war enttäuscht und dachte mir: Die Regisseurin hat sich den Problemen entzogen. Es war ihr zu heiß geworden. Aber gerade da hätte die Geschichte erst angefangen.
Natürlich ist ein Ende nicht Zufall. Der Autor ist ja der Spielleiter, er geht mit seinen Personen um und baut ein Verhältnis zu ihnen auf. Mag sein, dass auch psychologische Momente mitspielen, die wir nicht kennen. Der Darsteller meines Films war ein netter, etwas hilfloser Mann, und er hatte gerade ein »Date « mit einem hübschen Mädchen ausgemacht. Warum gönnte der Autor dem Mann nicht das Treffen und vielleicht den Beginn einer romantischen Beziehung? dachte ich mir. (Irgendwie schlüssig war das Ende schon, aber er gab dem Film etwas Lehrhaftes; es war ein Zuviel.)
Spielte da Neid mit oder eine Art Sadismus? In Fernsehserien sterben Akteure manchmal, wenn sie aussteigen wollen. Man muss für sie einen Ausweg finden, und der einfachste ist das Ableben. Aber bei meinem Film war ein gutes Ende denkbar. Doch der oberste Spielleiter wollte es nicht, und wir wissen bei ihm ebensowenig wie bei dem Allerobersten Spiuelleiter, was ihn geleitet hat, als er einen Tod beschloss.
»Man müsste dem Film ein zweites Ende geben«, meinte meine Schwester. Alles geht gut aus. Feiner Einfall. In einem Film oder in einem Buch kann alles auch anders sein. Ich hatte bei meinem am Ende Jesus erst ins Gefängnis schicken wollen, aber dann dachte ich mir: Das kannst du nicht bringen. Jesus muss gerettet werden, zumal in Rom. Dann habe ich, spät noch, ein paar andere Figuren gut davonkommen lassen; es sollte nicht so deprimierend enden. Aber es wäre anders auch gegangen.
Ein angemessenes Ende zu finden, gehört zum Schwierigsten, wusste schon Hemingway. Bücher und Filme sind menschliche Schöpfungen. Und wenn einem ein Ende nicht passt – dann kann man sich ja hinsetzen und ein eigenes schreiben. Warum nicht?