Baum gefällt

Ich kam von Reisen zurück, und die Nachbarn von gegenüber frohlockten: Der Baum ist weg! Wie kann man sich darüber freuen? Es war zwar ein leicht kranker Baum, aber er stand ehern da und hätte uns alle wohl noch überlebt, und die Vögel saßen gern in ihm drin. Die müssen sich nun ein anderes Plätzchen suchen.

Es gibt tatsächlich Leute, die die Welt verändern wollen, und wenn sie schon sonst nichts schaffen, hauen sie wenigstens einen Baum weg. Das ist doch was! Macht euch die Erde untertan! Steht schon am Anfang des Alten Testaments, aber diese Worte hat der Mensch Gott dem Herrn in den Mund gelegt. Wir können nicht sicher sein, dass der Große Geist wirklich will, dass wir uns zum Herrscher der Erde aufschwingen.

Er sollte auch gefällt werden. Das haben wir verhindert.

In dem Schweizer Blatt 20 Minuten stand nach Weihnachten, dass im vergangenen Jahr 2 Prozent weniger Menschen in Graubünden übernachteten, dafür 3,5 Prozent mehr in Basel. Das ist der Trend. Der Mensch von heute kann immer weniger mit der Bergeinsamkeit anfangen, er will Zerstreuung, gutes Essen und städtisches Ambiente. In der Einsamkeit nur Skifahren.

In einem Artikel für die Grenzgebiete der Wissenschaft hat Alfred Rohloff über das Verhältnis von Geist und Leben geschrieben, und so fängt er an : »Zunehmend stellt sich in der heutigen Situation die Frage, ob wir innerhalb unseres Lebens die geistigen Mittel besitzen, unseren Planeten weiterhin für Menschen bewohnbar zu halten und einen Zusammenbruch der menschlichen Gemeinschaft zu vermeiden.«

Und so hört er auf: Hier stoßen wir wiederum auf eine Mitgift unserer lebendigen Natur, indem wir schon feststellten, dass das individuelle Leben … sich hier und jetzt will. Alle Projekte einer ferneren Zukunft geraten dabei schnell außer Betracht. Wenn es uns aber nicht gelingen sollte, unsere von Klages und Spengler geschmähten geistigen Kräfte – auch entgegen den Intentionen unmittelbaren Lebens – auf die Probleme der Zukunft zu konzentrieren, so wird die Alternative jene sein, nur auf bereits eingetretenes Unheil reagieren zu müssen.«

In meiner konkreten Lebenswelt, vor meinem Fenster, zeigt der verschwundene Baum, der auch stehenbleiben hätte können, was der Durchschnittsbürger von der Natur hält. Sie soll nicht stören. Sie soll mir dienen. Der Gedeihniswahn, von dem Robert Musil sprach, das Machertum macht vor der Natur nicht halt. Der Katzenjammer kommt noch.

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