Die schlafenden Schönen

Ein wunderbares, ganz und gar ungewöhnliches Buch von Yasunari Kawabata ist Die schlafenden Schönen. In einem Etablissement dürfen alte Männer gegen Bezahlung schlafende junge Mädchen betrachten; anschauen ist erlaubt, ja, aber nicht berühren. Das ist überirdisch schön geschildert.

Den Schlaf zu thematisieren, ist nur konsequent; Naturbetrachtung und Meditation sind ja nur wenige Schritte vom Verschwinden des Bewusstseins entfernt. Der Schläfer ist weit weg. Aber eigentlich ist er nur tief in sich drin. Der Spiritualismus ist der Ansicht, dass die Seele im Schlaf sich in der anderen Welt neue Kräfte holt. So richtig kann das die westliche Wissenschaft nicht widerlegen, denn sie weiß noch nicht, weshalb wir schlafen müssen und wollen. Das ist eigentlich ein Skandal, da wir wohl ein Drittel unseres Lebens im Schlaf verbringen.   

Plastik eines schlafenden Apostels, vor der Kirche Bad Krozingen

Vor einigen Jahren habe ich in St. Gallen bei meiner Partnerin für einen Besuch im Kommunalen Kino plädiert. Es lief ein Film von Oguri Kôhei (Oguri ist der Familienname), Umoregi (Der begrabene Wald). Das ist eine harmlose Geschichte, die in einem Dorf spielt, das sich auf ein Fest vorbereitet. Ich habe sogar noch einige Bilder daraus im Kopf und den Anflug einer Stimmung.

Oguri selbst sagte in einem Interview 2005, er habe den Geist des Zusammenlebens von Mensch und Natur darstellen wollen. Kaum zu glauben: Giovanna Braghetti, die überzeugte Cineastin, schlief bei dem Film ein! Das sei ihr im Kino zum ersten Mal im Leben passiert, erzählte sie hinterher.   

G.B. in Kenia, schlafend

Die Reaktion war aber kongenial. Denn Oguri hatte 1996 den Film Nemuru otoko gedreht, Der schlafende Mann. Da liegt einer in seinem Dorf den ganzen Film über im Koma, und seine Freunde und Verwandten kommen und starren ihn an. Die Internetseite some words some places hat darüber eine humorvolle Rezension verfasst, in der zugegeben wird: »Nothing much really happens.« Uns Menschen im Westen muss das Verständnis dafür fehlen, Schlafende in den Mittelpunkt eines Werks zu stellen.

Wir wollen ja immer nur handeln und kennen die Zen-Maxime wu-wei nicht, die heißt: handeln, ohne zu handeln. Nichts tun. Oder gleich schlafen. Denn: Den Seinen gibt’s der Herr im Schlaf.       

 

 

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