Die drei Sprachen
Dann entdeckte ich doch noch ein Märchen der Gebrüder Grimm, in dem es um die Sprache der Tiere ging: Die drei Sprachen. Ein alter Graf in der Schweiz hatte einen dummen Sohn. Er schickte ihn zu einem Meister fort, und nach einem Jahr kam der Junge zurück und antwortete auf die Frage, was er gelernt habe: »Ich habe gelernt, was die Hunde bellen.« Das gefiel seinem Vater nicht.
Im Märchen ist die Zahl drei wichtig. Nach dem nächsten Jahr gibt der Sohn bekannt: »Vater, ich habe gelernt, was die Vögli sprechen.« Ein Jahr geht noch darüber hin, die Sprache der Frösche zu lernen. Dann schickt der Graf seinen Sohn mit Leuten fort, die ihn im Wald töten sollen, aber diese lassen ihn leben.
In einer Burg sagt ihm der Burgherr, im Turm gebe es eine Meute gefährlicher Hunde, »die bellen und heulen in einem fort«, und manchmal fräßen sie auch einen Menschen. Der Jüngling forderte, mit etwas Essen zu den Hunden gebracht zu werden. »Als er hineintrat, bellten ihn die Hunde nicht an, wedelten mit den Schwänzen ganz freundlich um ihn herum, fraßen, was er ihnen hinsetzte, und krümmten ihm kein Härchen.« Anderntags verrät der Junge, die Hunde müssten einen Schatz bewachen, und er holt eine Truhe mit Gold heraus, worauf ihn der Burgherr als Sohn annimmt.
Gezähmte Hunde in Alaska, aufgenommen von S. Sexton zwischen 1900 und 1930 (Library of Congress, Washington D. C.)Das erinnerte mich an eine Stelle aus Die Rampang- Story, der 1987 auf Deutsch (original 1960) erschienenen Autobiografie des tibetanischen Lamas Lobsang Rampa. Nach der Flucht aus Tibet, das von den Chinesen besetzt worden war, erreicht er nach schlimmen Strapazen Sibirien. Er übernachtet bei russischen Grenztruppen, und dann stoßen sie auf einen Zwinger mit gierigen heulenden Hunden, die außer Kontrolle geraten sind.
Ein Korporal schreit Rampa an, er könne doch wohl diese Hunde zähmen. Moskau wolle die Hunde schonen. Lobsang Rampa lässt sich von den drei zahmen Suchhunden der Grenztruppen ablecken, dass er ihren Geruch trägt, und er nimmt die drei mit.
»Schnell wurde die Tür einen winzigen Spalt geöffnet, und man stieß mich hinein. Aus allen Richtungen stürzten die Hunde auf mich zu. Die schnappenden Kinnladen meiner drei Begleiter entmutigten sie, näherzukommen. Da – ein riesiges Ungetüm, offensichtlich der Führer des Rudels, sprang nach meiner Kehle. Darauf war ich gut vorbereitet, ein Judoschlag tötete ihn. Der Körper war im Nu von der drängenden Hundemeute bedeckt, schnell sprang ich beiseite. Die schnapenden, schmatzenden Geräusche klangen abscheulich.
Ich wartete noch eine Weile, unbewaffnet, verteidigungslos. Dann schickte ich freundliche, gute Gedanken zu den Hunden. Ich sagte ihnen gedanklich, dass ich sie nicht fürchtete und dass ich ihr Herr sei. Ich fiel fast um vor Entsetzen, als ich das blank abgenagte Skelett des Hundes sah, der noch eben ihr Anführer gewesen war. Die Hunde kamen auf mich zu. Ich setzte mich auf die Erde und befahl ihnen, das gleiche zu tun. Sie kauerten sich vor mich im Halbkreis hin, die Pfoten nach vorne gestreckt. Ihre Zungen hingen hechelnd aus den Mäuledrn, die Schwänze gingen hin und her.
Ich stand auf und rief Serge an meine Seite. Meine Hand tätschelte seinen Kopf. Laut sagte ich: ›Von nun an, Serge, bist du der Führer dieser Meute. Du wirst mir gehorchen und darauf achten, dass die anderen mir gehorchen.‹ Von außerhalb des Zwingers kamen Geräusche spontanen Beifalls.«