Über Dschihad und Terrorismus

Das Internet Sacred Text Archive war zum ersten Mal am 9. März 1999 online. Heute hat es manchmal eine Million Abrufe am Tag. Das ISTA bietet Originaltexte aus Religion, Mythologie, Okkultismus und Ethnologie. Müsste ich mich für eine einzige Seite aus dem Internet entscheiden, es wäre diese. Mit ihr hat man bis übers Lebensende hinaus zu lesen.

Als ich schauen wollte, was Hadiths sind, fand ich einen kleinen Aufsatz von John Bruno Hare, der in seiner Wohnung in Santa Cruz in Kalifornien Hunderte Dokumente scannte und sich um die Rechte kümmert und damit den Grundstock zu dem Archiv legte. Hier ein kurzes Filmchen, in dem John Bruno selber über sein Projekt spricht. Einmal habe ich Haikus daraus verwendet, es war einer meiner meistgelesenen Beiträge.

Im September 2001 hatte er eine Sammlung von Hadiths neu ins Netz gestellt, und nach dem Terrorangriff in New York schrieb er aus aktuellem Anlass einen kurzen Essay, Über Dschihad und Terrorismus, den ich hier übersetze.

Dies ist eine englische Übersetzung einer Hadith-Sammlung. Sie wird hier im Original präsentiert, ohne zusätzlichen Kommentar. Die Hadiths sind traditionelle Bemerkungen des Propheten Mohammed, des Gründers des Islam, und viele Versionen bieten Kommentare von Gelehrten dazu. Es gibt zwei Arten von Hadiths. Die einen werden auf den Propheten selbst zurückgeführt, die Hadith Qudsi gelten als von Mohammed direkt von Allah empfangen (subhanu wa‘talah). Die Hadith-Literatur ist umfangreich; diese Arbeit stammt aus der Sammlung, die unter dem Namen Jami‘ von Mohammed Isma’il al-Bukari bekannt ist, und sie enthält Auszüge aus anderen Hadiths, vor allem dem Mischkat.

Die Hadiths sind eine der Schätze einer Tradition hingebungsvollen Gelehrtentums. Das Erbe der islamischen Gelehrten erstreckt sich auf alle Bereiche der Wissenschaft, Mathematik, Technik und auch Religion. Vieles von dem, was wir aus der klassischen griechischen und römischen Literatur kennen, entkam nur dem Verbranntwerden, weil in den dunklen Jahrhunderten Kopien davon in weit voneinander entfernten Zentren islamischer Gelehrsamkeit vorhanden waren, so in Arabien, Iran, Spanien und in afrikanischen Ländern südlich der Sahara. Die Hadiths sind mit den jüdischen und buddhistischen Kommentaren zu vergleichen (mit dem Talmud, den Pali Suttas und den Dharma Sutras), die über einen langen Zeitraum immer wieder ergänzt wurden, so dass viele Schichten und Texte ineinandergriffen. Sie sind nicht bindend wie der Koran, aber genießen dennoch hohe Achtung.

Im Gegensatz zu dem, was viele Menschen im Westen glauben, ist der Islam eine Religion der Toleranz, des Friedens und des Respekts vor dem Gesetz. Die große Mehrzahl der Muslime in Arabien und den USA sind friedliebende Menschen. Ihre Religion betont gute Werke, Almosen und Gebet. … Der Islam steht auch für Toleranz anderen Religionen und deren Angehörigen gegenüber. Der Koran und die Hadiths verbieten islamischen Ländern, anderen den Islam aufzuerlegen oder die Gläubigen anderer Glaubensrichtungen zu verfolgen. (…)

Wic htig ist, den Begriff des dschihad zu verstehen. Nach dem »Manual of Hadith« gibt es zwei Bedeutungen von dschihad. Eine steht für Bekehrung oder Zeugenschaft, wie die Christen das nennen würden (mit Betonung auf den inneren Kampf, seinen Glauben in einer feindlichen Welt zu bewahren), die andere bezieht sich auf die militärische Verteidigung der islamischen Gemeinde, mit Betonung auf Verteidigung. Die islamischen Kriegsregeln wurden sehr früh definiert: Zivilisten werden verschont, vor allem Frauen, Kinder, Alte und Arbeiter; eine Waffenruhe wird respektiert; der Islam wird einem Volk nicht durch Eroberung aufgezwungen. Dagegen mag oft verstoßen worden sein, aber auch die Genfer Verträge wurden verletzt. (…)

Der arabische Ausdruck für den Märtyrer ist shahid – Zeugen der Wahrheit – , also diejenigen, die ihr Leben und ihren Tod der Sache der Wahrheit widmen. Die Hadiths erwähnen ausdrücklich den natürlichen Tod, Tod durch Krankheit und den Tod in der Schlacht. Dies betrifft bestimmt nicht jemanden, der durch seinen Selbstmord (er ist im Islam verboten) viele andere Unschuldige, vor allem Zivilisten und Frauen, mit in den Tod reißt.

Der Islam ist eine Weltreligion und hat wie andere Weltreligionen den Anspruch, über alle anderen zu triumphieren. Im Fall des Islam und anderer Religionen gehört es nicht dazu, Andersgläubige umzubringen. Es gibt auch das Konzept von Führerpersönlichkeiten, die in bestimmten Phasen auftreten, um den Glauben des Volkes zu stärken. Diese bedeutet nicht automatisch, dass die Führer unfehlbar sind; ein gläubiger Muslim würde sagen, nur Allah sei unfehlbar. Das nehme ich zum Anlass, daran zu glauben, dass der Islam innerhalb seiner Kernsätze als reformierbar erscheint.

 

 

 

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