Günter Eich

Günter Eich (1907-1972) habe ich schon öfter zwischendurch erwähnt, aber nie Gedichte von ihm gebracht. In der Schulzeit wurden seine berühmten Hörspiele behandelt. Von Zeit zu Zeit kommen mir spontan Passagen aus seinen Gedichten in den Sinn, weil sie einen ganz eigenen Rhythmus haben.

Seine wichtigsten Sätze sind vielleicht die folgenden:

Wacht auf, denn eure Träume sind schlecht!
Bleibt wach, weil das Entsetzliche näher kommt.
(…)
Nein, schlaft nicht, während die Ordner der Welt geschäftig sind!
Seid misstrauisch gegen ihre Macht, die sie vorgeben für euch erwerben zu müssen!
Wacht darüber, dass eure Herzen nicht leer sind, wenn mit der Leere eurer Herzen gerechnet wird!
Tut das Unnütze, singt Lieder, die man aus eurem Mund nicht erwartet!
Seid unbequem, seid Sand, nicht das Öl im Getriebe der Welt!“

Seid unbequem, seid Sand, nicht das Öl im Getriebe der Welt. Immer stimmt das. Vielleicht Eichs schönstes Gedicht ist Westwind.

Vorhergesagter Wind,
atlantische Störung,
der Schnee herträgt
und das Feuer im Ofen schürt.

Rostfleck,
auf der Rüstung des Kreuzfahrers,
Regentropfen, nicht weggewischt,
weil er starb.

Geruch des Hundefells
und verklebtes Haar.
Weich sinken die gespaltenen Hufe
der Zugochsen ein.

Auf der Kapuze
Perlen getauten Schnees,
beleuchtet,
vom Schaufenster des Krämers.

Atlantisches Tief.
Morgen sind die Häher
auf den Tannen
voll Einverständnis.

Längen- und Breitengrad,
das Gemeindesiegel,
das den Ort festlegt,
der Regentropfen
auf der Geburtsurkunde.

Das Salz der Weisheit
und die Gräber auf dem Kirchenhügel.
Ich sage dir nicht oft genug,
dass ich dich liebe.

Oder: Fußnote zu Rom

Ich werfe keine Münze in den Brunnen,
ich will nicht wiederkommen.

Zuviel Abendland,
verdächtig.

Zuviel Welt ausgespart.
Keine Möglichkeit
für Steingärten.

Und schließlich:

Elfenbein

Lass nun die Abschiede
uns unauffällig
begehen,
wir fahren single,
weich, ohne Passkontrolle,
lass uns fahren, lass uns,
und immer
nach Friaul, nach Gradisca,
nimm günstig auf
meine Seufzer, meine Billette,
die Eintragungen
in Gipfelbücher, die in große
lappige Ohren
oder in greifende Rüssel
geflüsterten Wörter.

 

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