Das Evangelium des Thomas
Kennt jemand das Thomas-Evangelium oder das Marien-Evangelium? Die vier zugelassenen sind die von Markus, Matthäus, Lukas und Johannes, und andere Werke, die 1945 zufällig in Nag Hammadi gefunden wurden, sind von den Kirchenvätern unterdrückt worden, weil man eine klare Lehre wollte.
Die amerikanische Religionshistorikerin Elaine Pagels hat das Thema in ihrem Buch Beyond Belief (2003) aufbereitet. Thomas wurde im Johannes-Evangelium als der Ungläubige gebrandmarkt, weil er womöglich ein Konkurrent von Johannes war, der denn auch nicht Jesu Lieblingsjünger gewesen sein konnte, weil er sein Evangelium 70 Jahre nach dessen Kreuzigung verfasste.
Irenäus, ein wichtiger Kirchentheoretiker im zweiten Jahrhundert nach Christus, hielt große Stücke auf das Johannes-Evangelium, das sich deutlich von den anderen drei unterscheidet. Johannes setzt die Geschichte, wie Jesus dem Tempel von den Geschäftemachern befreit, an den Anfang, seine drei Kollegen setzen sie an den Schluss, denn deshalb wird Jesus festgenommen und verurteilt. Johannes baut seine Geschichte geschickt um das Opferlamm Jesus Christus auf und war bestimmt nicht der unbedarfte, freundliche Fischer in der Entourage des Heilands.
Markus, Matthäus und Lukas bezeichnen Jesus als großen Priester, Heiler und künftigen König der Juden – nur Johannes betont, er sei Gott in Menschengestalt. Thomas in seinem Evangelium hebt Jesu Aussagen hervor, das Himmelreich sei in jedem einzelnen und schon heute erhältlich. Diese Version gefiel den Oberen nicht, die sich eine offizielle Lehre zusammenbauen wollten, was nach Kaiser Konstantins Erklärung des Christentums als Staatsreligion 313 wichtig war.
Damals (wie auch später) tauchten überall Propheten und Seherinnen auf, die angeblich von Gott Weisung erhalten hatten, und die Valentinianer, die das verteufelte gnostische Gedankengut herumboten, waren noch lange eine Gefahr für das junge Christentum, das natürlich vom Marien-Evangelium, in dem Frauen gleichberechtigt zu Wort kamen und Jesu Gedanken auslegten, auch nichts wissen wollte.
Was heute von Christen geglaubt wird, wurde bereits auf dem Konzil von Nizäa im 4. Jahrhundert festgelegt und über Jahrhunderte vehement und mit allen Mitteln verteidigt. Wer eine abweichende Meinung vertrat, war ein Ketzer. Auf den Scheiterhaufen mit ihm (oder ihr)!
Die Trinität – Gott Vater, Sohn und der Heilige Geist – war eine (menschliche) Schöpfung des Frühmittelalters. Die Institution eines Heilands, der herabkommt und den Menschen rettet, finden wir schon in ganz frühen gnostischen Terxten aus dem Iran. Wir müssen uns immer vor Augen halten, dass das Christentum die Version einer Heilsgeschichte ist, nicht mehr und nicht weniger.