Ikigai

Die Bordzeitschrift von Air France hat mich ein neues Wort gelehrt: ikigai. Das ist japanisch und bedeutet … ja, was? Es beschreibt einen Zustand, der in unserem Inneren vorliegt, einen Zustand, in dem man ist oder den man hat, ohne ihn benennen zu wollen oder es zu können. Da müssen unsere westlichen Festlegungskünste scheitern.

Dieses neue Wort verdanke ich Marie Acouturier, die den Text (Le temps de l’ikigai) verfasst hat. Ikigai sei eine Lebensart, ein Lebensprinzip, ein Sinn und ein Kompass, der die Seele auf einem Kurs halte. Ikigai fliegt einem zu und geht nie wieder fort. Du kannst es nicht suchen oder erlernen. Wer es dann hat, ist zur Ruhe gekommen, hat Zeit und lebt im Augenblick. Macht, was ihm Spaß macht. Hat sich seinen Traum erfüllt. Ist glücklich.

Aber es ist nicht ein Dahinleben. Der höchste Genuss will erarbeitet sein. Die Arbeit am Selbst endet nie. Wer bloß den Genuss sucht ohne geistiges Dabeisein, lebt wie ein Tier. Man will immer besser werden wie der Maler Hokusai, der in hohem Alter meinte, mit 100 Jahren vielleicht werde er zu einem Meister geworden sein. Die Autorin fand auf der Insel Okinawa den 84 Jahre alten Schmied Kenjiro Matayoshi, der auch nach 45 Jahren noch nicht sicher ist, die Perfektion in seinem Handwerk erlangt zu haben; er suche noch nach ihr.

Auf Okinawa leben übrigens die ältesten Menschen der Welt. Auch Italien hat eine langlebige Bevölkerung. Sicher liegt es nicht nur an der fischreichen Mittelmeerdiät, sondern an der Selbstgenügsamkeit und Ruhe auf der japanischen Insel, und in Italien spielt die Geborgenheit im Familienverband eine Rolle.

Zu ikigai kommt in dem Artikel noch Naozo Kala zu Wort, der früher Flugzeugingenieur war und heute Surfbretter baut und selber ausdauernd surft. Er hat sich seinen Traum erfüllt, hat sein Glück gefunden, und er nennt das auch so ähnlich. Ikigai mitsuketa, sagt er, den Lebenssnn gefunden: das, für das es sich lohnt, ganz dazusein und hier zu sein auf dieser Welt.

 

 

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