Elisabeth

Heute könnte ein junges Mädchen vom Wörthsee in Oberbayern seinen 17. Geburtstag feiern, wenn es nicht zwei Monate vorher bei einem Verkehrsunfall sein Leben verloren hätte. »En mitten in des Lebens zeyt / sey wir mit tod umbfangen«, hieß es im 15.  Jahrhundert. Unsere Medizin ist Weltspitze, und dann, irgendwo, streift dich etwas, und schon bist du auf der Startbahn. 

Ich hatte mit dem Rennrad (Hans fuhr vorne) Mitte Juli durch Etterschlag fahren wollen, doch da war alles gesperrt und Feuerwehrleute standen da. Auf dem Weg nach Steinebach überall schwarz gekleidete Menschen. Dann kamen wir drei Kilometer weiter in Steinebach an einer Stelle vorüber, an der auf dem Gehweg neben der Straße viele Blumen lagen; das musste mit der Beerdigung zu tun haben.

Die Unfallstelle in Steinebach

Später erfuhr ich, dass am Mittwoch, drei Tage zuvor, ein junges Mädchen auf ihrem Motorroller unterwegs gewesen sei, und es war eng da, wegen der parkenden Autos. Ein Landwirt mit Traktor und Anhänger überholte und streifte sie; sie stürzte und geriet unter den Anhänger, verletzte sich tödlich. Sie hatte die Realschule absolviert und einen Vertrag für eine Banklehre in der Tasche, war in ihrem Ort beliebt und nun tot.  

Wieder ein paar Tage später schaute ich mir die Grabstätte an, die unter Blumen begraben lag. Das Opfer hieß Elisabeth. 

Das Grab wenige Tage nach der Beisetzung

Man hat etwas Pech und bezahlt das gleich mit dem Leben. 4000 Menschen sterben jedes Jahr in Deutschland im Straßenverkehr, aber es gab Jahre, in denen es 18000 oder gar 20000 waren (um 1970). Das waren die Opfer, die man der rastlosen motorisierten Fortbewegung willen in Kauf zu nehmen bereit war.

Weltweit sterben jedes Jahr eine Million Menschen durch Verkehrsunfälle. Jeder Fall ist einzigartig und den trauernden Angehörigen zur Verarbeitung aufgegeben. Persönliches Pech, vermeidbar auch, doch auch ein soziales Phänomen: Der Mensch beherrscht das Gerät Automobil nicht, geht über seine Grenzen hinaus, und andere zahlen dafür mir ihrem Leben.

Sie zahlen mit ihrem Leben, tauschen aber ein anderes dafür ein. Menschen, die jung sterben, wachsen eben in der Geistigen Welt (so nennen die britischen Spiritualisten das Jenseits) heran und reifen dort. Junge Menschen sind ja so voller Energie! Der 19-jährige Bekannte meines Neffen war bei einem Autounfall gestorben, und schon während der Kremation fingen die Vorkommnisse an: ein Handy-Anruf aus unbekannter Quelle, wo es eigentlich kein Netz gab; rätselhafte Lichtsignale im Auto, wenn mein Neffe intensiv an ihn dachte; flackernde Birnen, als man seine Todesanzeige in die Hand nahm. Die Verstorbenen wollen uns ja deutlich machen, dass sie leben; wir müssen ihre Botschaften deuten lernen.         

 

 

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