manipogo: der erste Monat

Ich ziehe eine erste Bilanz. Ein Monat manipogo. Es hat mir Spaß gemacht. Plötzlich war wieder Adrenalin am Werk, und mein Spieltrieb und mein Kampfgeist waren geweckt. Ich fühlte mich wieder als der Journalist von früher, im Kampf mit Sprache und Stoff, mit deadline und headline. Es sind täglich zwar nur 9 bis 17 Besucher, aber durchschnittlich 45 Seitenzugriffe, insgesamt 1299 im Monat August.

Ich wusste ja auch nicht genau, was ich hinzaubern würde. Nun ist es eine kuriose Mischung aus engagiertem Journalismus, persönlichen Schmonzetten und Ausflügen in die spekulative Philosophie und die Parapsychologie geworden. Gut, dass ich mich nach draußen begab und gleich nach einer Woche die Ausstellung über die albanischen Bunker in Riehen bei Basel besprach; so gewöhnte ich mich wieder ans Schreiben gleich nach dem Anlass. Du bist um neun zu Hause, und um Mitternacht muss die Geschichte stehen.  

Ein schönes Erlebnis war die Begegnung mit den Immelmännern. Die gefühlvollen Kommentare haben mich selbst überrascht. Die Seite manipogo kannte ja kein Mensch, und doch wurde gewürdigt, dass sich da jemand mit einem Thema ernsthaft und literarisch auseinandersetzte. Auch der Kommentar von Wulfing von Rohr zu meinem Artikel Psi-Szene Schweiz hat mich gefreut, da von Rohr ein namhafter und guter Esoterik-Autor ist, der viel über das Tarot publiziert hat.  

Und so habe ich in vier Wochen bereits über 20 Kommentare erhalten. Bei meiner Kolumne Ausreißversuche auf der Seite der Kitischen Ausgabe vergingen manchmal eineinhalb Jahre, bis jemand sich bemüßigt fühlte, ein paar Zeilen zu schreiben. Viele Kommentare stammen natürlich von meinen Freunden und Bekannten, die einfach fantastisch sind. Ich hatte 65 von ihnen angeschrieben und auf manipogo hingewiesen, und 40 schauten gleich hinein. Dann aber sackte ihr Engagement wieder ab. Ich weiß, es ist schwer, regelmäßige Leser zu gewinnen, vor allem, wenn man täglich schreibt. Immerhin sind 47 Feeds verzeichnet, Abonnenten also. Und Helmut Krämer liest immer noch manipogo und weist mich auf Fehler hin, das ist geradezu heroisch, da ich weiß, welche Zumutung meine Themen ihm manchmal sind.  

Bei den frühen Sufis sagt der Allmächtige: »Ich war ein verborgener Schatz, und ich wollte gekannt werden.« Also schuf Er (oder Sie; oder ErSie) die Welt, ließ sie aus sich ausströmen, um sich von ihr betrachten zu lassen, weil er/sie einsam war. Damit ist die Welt zwar göttlich, aber sie ist nicht Er/Sie. Der beste Beweis dafür ist, dass diese Welt zu leben beginnt, dass sie Eigenleben annimmt, wie der Golem oder der Égregoire (auch so ein geistiges Wesen), dem vielleicht, wenn sein Schöpfer Glück hat, eine Seele geschenkt wird.       

So etwas ist mit manipogo passiert. Ich hatte mir das zu Beginn erträumt: dass sich von selbst Bezüge ergeben, Assoziationen und Verbindungen. Dass die Seite von selbst zu leben beginnt wie ein Roman und mit mir spricht. Zu Beginn tauchte öfter Nord-Karolina auf, dann Chicago, später führte Max Frisch über Zollinger zu Affoltern, das durch Cuno Affolter fast einen Reim erhielt … Heute habe ich über Carl Gustav Jung gelesen, der dem Weiblichen die Beziehungen per se zuschreibt, und das entspricht natürlich dem Mond (la luna), in dessen sanftem Licht die Konturen verschwimmen, während im harten Licht der Sonne (il sole), des Mannes also, die Objekte scharf abgegrenzt erscheinen.     

Der Mond über der manipogo-Bodenstation

Ich finde, wir müssen das Gute und das Gemeinsame betonen und auch die Einheit, die am Anfang stand. Freilich definiert Sprache immer und grenzt ab, doch durch Bilder und lyrisches Sprechen können wir an die vorsprachliche Einheit erinnern, aus der alles kommt. — Morgen beginnt, bedingt durch eine längere Abwesenheit (Zürich/Hamburg/Ostsee) eine vorbereitete Reihe von Artikeln, darunter eine zehnteilige Serie über die »Tonbandstimmen«, die Stimmen Verstorbener. Dann sehen wir weiter. Dank an alle.  

 

 

 

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