Wohnen und Tatort

Jetzt bin ich mir doch untreu geworden und habe im Februar gleich zwei Mal Tatort angeschaut: nach dem Dresdner (zu dem riet mir meine Nichte) kam der Ludwigshafener mit Lena Odenthal, der einzige, den ich gern sehe: wegen Ulrike Folkerts und den Nachtaufnahmen der Stadt am Rhein. Ach ja, und den Polizeiruf aus Rostock mag ich auch … gut, ich werde mich nicht mehr als Nicht-Fernseher bezeichnen.

In beiden Krimis war eine Frau die Mörderin, die einen prächtigen weißen Wohn-Zementkubus mit opulenter Inneneinrichtung bewohnte. Cherchez la femme! Am Ende ist oft eine Frau die Täterin, weil die Autoren zuwenige Verdächtige aufbieten. Der Hauptverdächtige ist eine Stunde lang äußerst verdächtig, dann kommt ein zweiter in den Fokus (so in Dresden), der 20 Minuten verdächtig ist, doch dann muss kurz vor Schluss eine Überraschung her, man will ein Kaninchen aus dem Ärmel zaubern, und da bleibt meist nur eine Dame im Hintergrund übrig. Dann: Showdown.

Fürs Privatleben war in Ludwigshafen kein Platz mehr. Mario Kopper fehlt. Humor: völlige Fehlanzeige. War anscheinend polizeilich verboten. (Das Singen ist ja schon verboten, wegen der Aerosole; man müsste konsequenter Weise auch das Lachen verbieten.)  Ziemlich trist war alles. Die Hintergrundmusik schien wichtiger als die Dialoge. Geredet wird nicht viel. Was einem dann auffällt: Fragen, die einem unbedarften Zuschauer auf der Zunge liegen, werden nicht ausgesprochen.

Besonders eklatant im Dresden-Tatort: Die Rettungssanitäterin Gerda spricht mit der Kommissarin, die ihr das Bild eines Mannes zeigt. Gerda begreift: Es ist der Vater eines kleinen Mädchens, das bei einem Einsatz vor einem Jahr starb. Sie ruft aus: »Der war doch gestern bei mir! Dort auf dem Sofa hat er gesessen!« Jeder normale Mensch hätte sofort gefragt: »Waaas? Wie kam das denn? Erzählen Sie mal!« Im Film: nichts. Keine Reaktion der Kommissarin. (Das erinnert an die Beobachtung eines Freundes, dass im Film Leute sich oft grußlos trennen.)

Im Ludwighafen-Tatort wird der Mörder der Polizistin verhört, der auch in Verdacht steht, einen Konzertveranstalter getötet zu habe, Der war aber schon tot, sagt er. Hinten, am Fluss, habe eine Frau gestanden. Und? Wie? Fragen würde man wollen: »Wie hat die denn ausgesehen? Beschreiben Sie sie!« Im Film: nichts. Die Frage bleibt aus. Erst später erfährt man von Lena, dass der Verdächtige sie nicht beschreiben konnte.

Grob gehen die Menschen miteinander um. Überall Vorwürfe oder Angriffe. Ein Minenfeld (schon wieder). Die Nachtaufnahmen sind immer noch gut — wie die Kamera über das nächtliche Ludwigshafen fliegt —, doch der Film im ganzen wirkte leblos. Er war routiniert und lieblos gemacht, eine Szene klebte sich an die nächste, alles war eng, dunkel, bedrohlich, und dort starb ein Sanitäter, hier eine Polizistin, aber auch das wird schulbuchmäßig abgehakt, kleine Rückblende, aber was das für ein Mensch war, erfährt man nicht, und man fragt sich unwillkürlich: Was war da? Was sollte das alles?

Im Rostock-Polizeiruf unterhält uns wenigstens die konflikthafte Beziehung der beiden Kommissare, und Anneke Kim Sarnau und Charly Hübner sind einfach was Besonderes (am 14. März wieder, nicht verpassen!). Die beiden Frauen-Teams in Dresden und Ludwigshafen waren okay, aber viel Charisma kam da nicht rüber. Ulrike Folkerts lächelt kaum mehr, dabei kann sie das unvergleichlich gut. Ist die Welt wirklich so ernst geworden?

 

Beiträge dazu:
Kopper
Arme Lena
Der Tag wird kommen

 

 

 

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