Katja fährt Tommy davon

Wer wie wild liest, stößt manchmal auf wunderbare Fundstellen. Meine ungeschriebenen Memoiren von Katja Mann sind doch geschrieben worden und 1970 erschienen. Man erfährt darin viel über ihren Mann Thomas, den literarischen Mann an sich. Sie schreibt ja etwas naiv, aber so liest es sich schnell weg.

Die Russin Madame Chauchat habe es in Davos gegeben, lesen wir etwa, damals im Sommer 1912. Da war Katja im Sanatorium. »Sie hat meinen Mann zunächst mit ihrem Türenschmeißen tatsächlich sehr verletzt, beleidigt und geärgert, aber dann hat er für ihre Reize sehr viel Sinn gehabt. (…) Thomas Manns Gefühle für Madame Chauchat gingen nicht so weit, außerdem war er ja mich besuchen gekommen. Er hat sie nur beobachtet, und sie hat ihm sehr gefallen.« Das kenne ich. So sind Schriftsteller. Sie beobachten immer und tun nichts.  

Später in Princeton (»Es ging uns wirtschaftlich recht befriedigend in Princeton«) schildert Katja andere Bekannte, etwa Theodor Wiesengrund Adorno, der Thomas beim Buch Doktor Faustus beriet. Adorno kommt nicht so gut rüber. »Er war doch zuweilen wie närrisch vor Anspruch und Blasiertheit.« Adorno meinte, er habe eigentlich das Buch geschrieben, und dann beschwerte er sich auch noch, Horkheimer sei nicht erwähnt worden.  

Die Manns kannten René Schickele, der Anfang der 1930-er Jahre in Badenweiler gelebt hat wie auch Annette Kolb. Diese, damals eine bekannte Autorin, war mit Thomas Mann befreundet. Im Doktor Faustus  diente sie ihm als Vorbild für die Jeannette Scheuerl, eine Figur, die »wirklich mit Liebe und Hochachtung geschildert ist«. Leider heißt es da, sie habe ein »elegantes Schafsgesicht« gehabt. Da war Annette Kolb beleidigt und brach den Kontakt zu Thomas Mann ab. Jeannette war ja nicht Annette, aber da helfen keine Argumente.  

Aber ich wollte eigentlich erzählen, wie sich Katja und Thomas kennenlernten. Sie war eine Pringsheim, ihr Vater Mathematikprofessor an  der Universität München, und sie lebten in Feldafing. Da gingen die Promis ein und aus, Richard Strauss, Kaulbach, Stuck und Lenbach. München sei damals eine Kunststadt gewesen, und Schriftsteller hätten nicht viel gegolten. Thomas Mann nannten sie immer »Herr Kunstmaler«. 

Nun kommt das Fahrrad ins Spiel. Ein junger Mann, der zufällig auch Pringsheim hieß, sprach Katja an, als sie ihr Rad holte, machte ihr eine Liebeserklärung und fast einen Heiratsantrag. »Im Radstall!« Katja war empört. So hätte sie ihren Namen behalten können, aber sie lehnte ab. Sie fuhr meist mit dem Rad zur Uni, aber einmal nahm sie die Tram, und ein Kontrolleur wollte ihr Billett, das sie nicht fand. Sie stieg wütend aus. Thomas Mann sah zu und war begeistert. Er wandte sich an Elsa Bernstein, die den Kontakt herstellen sollte und dann kupplerisch tätig wurde.  

»Dann kam er eines Morgens und sagte, ich hätte doch gesagt, wir wollten zusammen eine Radtour machen. Ich hatte aber gar nichts dergleichen gesagt. Doch es war sehr schönes Wetter, und da sagte ich: Wir können es ja machen. Also machten wir unsere Radtour. Ich hatte ein sehr gutes, schnelles amerikanisches Cleveland-Rad und fuhr ihm dann sogar davon.« 

Thomas Mann, den sie später immer »Tommy« nannte, soll dann, meint Katja, auf diese Tour im Buch Königliche Hoheit  angespielt haben. Aber typisch Thomas Mann: Fahrrad war ihm wohl zu popelig, ein Pferd musste es sein, und so reitet in dem Buch Imma Spoelmann dem Prinzen Klaus Heinrich davon. Und Tommy war natürlich der Prinz.   

 

   

 

 

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