Das versunkene Kloster

Vom Uhland war der Spruch »Lasst gute Geister um mich sein« nicht, aber beim Durchblättern seiner Hundert Gedichte gefiel mir eins besonders gut, ich war hingerissen, und schon musste es wieder ein Beitrag sein. Der Schwabe Ludwig Uhland (1787-1862) war schon ein besonders guter Dichter.

Kloster Hirsau kannte er gut, und eine Ulme hat er besungen, die bis 1989 zu sehen war, aus den Grundmauern der Ruine ragend. Vor sieben Jahren war ich in Hirsau, das noch im 12. Jahrhundert ein bedeutendes Reformkloster war, 1692 aber zerstört wurde. Das Thema des Gedichts hat mich auch angeregt, das Bild zu verändern — mit Photoshop: erst mit Kräuseln, dann mit Ozeanwellen.

Wir müssen uns vorstellen, das Kloster stünde auf dem Meeresgrund. Über ihm nur Wasser; und der Himmel nicht zu sehen.

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Das Gedicht heißt

Das versunkene Kloster 

Ein Kloster ist versunken
Tief in den wilden See,
Die Nonnen sind ertrunken
Zusamt dem Pater, weh!
Der Nixen muntre Scharen,
Sie schwimmen stracks herbei,
Nun einmal zu erfahren,
Was in den Mauern sei.

Das plätschert und das rauschet
Im Kreuzgang und Dorment!
Am Lokutorium lauschet
Der schäkernde Konvent;
Man hört Gesang im Chore
Und lustig Orgelspiel;
Das Glöcklein ruft zur Hore,
Wann’s ihnen just gefiel.

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Bei heitrem Vollmondglanze
Lockt sie der grüne Strand
Zu einem Ringeltanze
In geistlichem Gewand;
Die weißen Schleier flattern,
Die schwarzen Stolen wehn,
Die Kerzenflämmchen knattern,
Wie sie im Sprung sich drehn.

Der Kobold dort im Schutte
Der hohlen Felsenwand,
Er nimmt des Paters Kutte,
Die er am Ufer fand;
Die Tänzerinnen schreckend,
Kommt er zur Mummerei,
Sie aber tauchen neckend
Hinab in die Abtei.

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Erläuterungen: In der zweiten Strophe kommen ein paar Fachausdrücke vor. Dorment war vielleicht der Schlafsaal (wenn die Nonnen nicht in ihren Zellen schliefen), Lokutorium gewiss ein Saal, in dem man Vorträge hielt oder aus der Bibel vorlas (beide Ausdrücke stehen nicht einmal im Fremdwörterbuch). Die Horen waren die Stundengebete, und in Klöstern wurde ja andauernd gebetet, angefangen um 4.30 Uhr am Morgen. 

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