Die Elfe vom Interstate

Schön, mein Beitrag über die Elf von gestern gibt mir Gelegenheit, endlich wieder einmal eines meiner Psi-Gedichte zu veröffentlichen. Das ist noch Material aus der Vergangenheit, ich bin ja in Italien und werde bald von hier etwas schreiben. — Was die Elfe mit der Zahl elf zu tun hat, weiß ich nicht. Elfenhaft ist ein schönes Wort. Elfen sind Sagen- und Märchengestalten und immer etwas flüchtig.

Natürlich ist das eine wahre Geschichte, die Zusendung eines Lastwagenfahrers, der eine Gestalt neben seinem Truck schweben sah. Es gibt Spuk, den erdgebundene Geister verursachen (earthbound spirits), die aber nur medial begabte Menschen sehen können. Das Rätsel ist, dass die vielen Geschichten von Phantom-Anhaltern zeigen, dass ganz normale Menschen sie sehen konnten und sogar mitgenommen haben. Es waren offenbar Wesen mit einem Körper. Oft zeigten sie sich an einem Jahrestag ihres Unfalls an der Unfallstelle.  

Vielleicht, könnte man spekulieren, ist am Gedenktag ihre Energie stärker als sonst, und sie dürfen – wie es ohnehin an den Totentagen in Mexiko und anderen Ländern heißt – in der Welt erscheinen, haben »Ausgang«. Wenn ein Mensch gesehen wird, der zur selben Zeit starb, muss es sich um eine unbewusste Verdoppelung handeln oder so etwas wie Bilokation; wie erklärt man sich, dass in Last Orders der Gast im Pub auch Bier trinken konnte und redete und leibhaftig wirkte.  

Geister werden uns immer verfolgen. Könnte es sein, dass der Verunglückende in diesem Moment in ein Parallel-Universum hinüberglitt, in das er nicht gehörte (weil er starb) oder in das wir nicht gehören und wo er weiterlebt. Unsere Welten sind ja alle gleichzeitig da, es sind Welten aus Millionen eigenen Blickwinkeln, und manche erlöschen, weil der Blickende stirbt. Seine Welt ist eine andere, die er mit anderen Verstorbenen teilt, aber wir sehen sie nicht. Normalerweise nicht.  

 

Ein anonymer Trucker schickte dem »Strange Magazine«
vor fünfzehn Jahren ein Erlebnis, das ihm seine Haare
zu Berge stehen ließ; und Trucker, wie uns immer schien,
sind doch ein hartes Volk. Passieren mag, was will: Ich fahre.

Und unser Mann, er fuhr. Von Brunswick nach North Royalton
Im Staat Ohio, nördlich auf dem Interstate seventy-one.
Am Armaturenbrett vor unsres Truckers Thron
Glomm stets ein rotes Licht: der CB-Funk, und das Gerät war an.

Der Mann sprach mit den Fahrern vor ihm auf der Strecke,
wie deren Zustand sei. Und plötzlich hört er einen Schrei.
Ein Fahrer stammelt, da sei etwas, was ihn sehr erschrecke:
ein Mädchen an der Straße; mit ihm, nahebei.

Nun ist dem Trucker an der Straße jedes Mädchen sehr willkommen.
Doch, sagt der andre, sei sie neben ihm im Freien, und sie gleite
mit siebzig Meilen in der Stunde. Unser Trucker hört’s beklommen,
erfährt, dass es den andren schon seit einer Meile so begleite.

Dann Schweigen. Und Minuten später kommt der Trucker an den Fleck.
Er schrieb: »Just scared the shit …«  – doch das ist jetzt vulgär
und schwer zu übersetzen, jedenfalls: er hatte einen Höllenschreck.
»Neben mir schwebte das Mädchen!« Doch wusste er nur ungefähr,

ob sie nun sitzend schwebte oder ob sie, gleitend, aufrecht stand.
Sie war rötlich beleuchtet vom dem Licht, sie sah nach unten.
Er schätzte sie auf Anfang zwanzig; auf dem langen Band
der Straße kam sie eine Meile mit, doch dann war sie verschwunden.

Noch weit’re Fahrer sahen sie in jener Nacht.
Die Zeitung brachte auch einen Bericht.
Sie käme vielleicht öfter, hat man bald gedacht,
doch andre Trucker sah’n sie nicht.

 Als Epilog: Es spuken – nicht sehr oft –
An Straßen Unfallopfer, an den Jahrestagen,
sie stehen da, als Anhalter, sie steigen ein, und unverhofft
sind sie dann fort; wohin? Das darf man fragen.

Das Schweben, das wirkt ungewöhnlich –
Doch nicht für den, der übers Jenseits liest sehr viel.
Da heißt es meist: Wir fliegen schnell, unglaublich,
wir denken uns wohin, wir gleiten los und sind am Ziel.  

 

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