Pizza Roma

In einem südosteuropäischen Restaurant (oder einfach: beim Griechen) fiel es mir wieder auf: Ich bestelle die Gerichte nach dem Namen, den sie tragen. Ich verleibe sie mir ein, die Gerichte, aber auch ihren Namen, weil er mir etwas sagt oder meine Stimmung wiedergibt. Oft: Pizza Roma. Oder: Pizza Amore. Kleopatra-Teller. Mein Gegenüber denkt immer, dass es wegen Rucola, der Salami oder des Käses ist; es ist aber der Name.

Natürlich würde ich kein Gericht wählen, das mir nicht schmeckt, nur weil der Name passt. Aber im Lokal »Olympia« in Landsberg am Lech, das ich mit meiner Mutter aufsuchte (ist aber schon fünf Wochen her), wählte ich ihr Gericht (sie ließ mich wählen), weil es den Namen der Frau trug, an die ich seit vier Monaten denke; auch mein Gericht trug ihren Namen, nur ein Vokal war verändert. Sie selbst wird das vermutlich nie erfahren, denn der echte Samurai hält seine Liebe geheim, das wissen wir. 

Gerichte zu bestellen, deren Bedeutung nur einer selbst versteht, bereitet einem eine diebische Freude. Das ist, wie in einen Roman eine Anspielung einzubauen, die niemand begreift außer mir selbst. (Allerdings verrate ich es hier; ich verrate es, um es sogleich wieder in Vergessenheit geraten zu lassen, denn man weiß ja nicht, ob ich nicht ein Gericht doch aus dem profanen Grund bestelle, weil es mir schmeckt. Vielleicht … stellt sich dann heraus, dass sein Name für mich eine Bedeutung annimmt, in der Zukunft.)  

 

Ein Bild, gefunden in Pompei. Eine Torte?

 

Es ist, ja, eine magische Prozedur, vielleicht, um Sie herbeizubeschwören eines fernen Tages. (Der Samurai ist auch nur ein Mensch.) Aber auch: Wenn man lange genug sein Leben und die Gerichte im Restaurant (mit ihren Namen) aneinander gekoppelt hat, entsteht eine fast wissenschaftliche Anordnung.  Der Journalist sagt so richtig: Namen sind Nachrichten. Namen haben eine Wirkung dort draußen im Leben. Sie schweben herum wie Wolken und ziehen das Leben, das zu ihnen gehört, an sich.      

Ich hätte nicht davon sprechen sollen. Ich spreche ja nur davon, um von dem geliebten Subjekt sprechen zu können, ohne es direkt zu erwähnen. Meistens ist man ja, wenn man besessen ist, so besessen, dass man andauernd direkt von ihr spricht, der Geliebten, und jeder merkt es und weiß es, nur man selbst nicht.

Kunst ist ebenso das Verstecken von etwas, damit es aufgedeckt würde, aber für den Autor liegt der Reiz im Verstecken, im arglosen Hinlegen von etwas Verhülltem. Ob es jemand entdeckt, spielt keine Rolle. Wie Kinder sich freuen, wenn sie sich in einer Geheimsprache unterhalten, die niemand kennt! Der Spaß ist, dass die anderen nichts verstehen. Im Geheimnis begegnen sich die Liebe und die Kunst.   

 

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