San Marino

San Marino ist die älteste Republik der Welt, im Jahr 301 vom heiligen Marinus gegründet, einem Steinschneider, der in einer unwegsamen Bergregion im Südwesten von Rimini eine Gemeinde gründete. Die armen Leute flüchteten sich dorthin, um den Soldaten zu entgehen, die unter dem römischen Kaiser Diokletian Jagd auf Christen machte. Wenn man die Mini-Länder Liechtenstein und Luxemburg kennt, sollte man sich San Marino nicht entgehen lassen, zumal es eine schöne Fahrt hinauf auf 900 Meter ist.

 

Ich hatte das Wetter nicht beeinflusst. Wie geplant hatte ich nach zehn Stunden Donnerstag abend Misano Adriático erreicht, alles war bewölkt, zuvor war Regen niedergegangen, aber zwei Stunden nach meiner Ankunft war der Himmel schon fast wieder klar. Zum Glück war ein »Mobile Home« frei, und so hatte ich mir das erträumt: Autonomie, vor allem Strom, um draußen, auf der Loggia, am Laptop, dabei rauchend und trinkend, schreiben zu können. (Nur manipogo … das ist schwierig hier im Ausland.)

Der Freitag war ein herrlicher Sommertag mit 25 Grad, also fuhr ich mit dem Rennrad die 40 Kilometer durch die ländliche Romagnola, hoch die sanften grünen Hügel und nach San Marino. Da hatte am Tag zuvor Nebel geherrscht bei unfreundlichen 10 Grad. Ganz nach oben konnte ich nicht, es war steil, und da geht es dem Rennradfahrer wie den Frauen mit Stöckelschuhen: Er bleibt besser unten. Oben auf dem Berg gibt es ein Museum, das Eintritt kostet und drei Türme, die »tre torri«. Komisch, wie manche Blicke einen an andere aus früher erinnern; diesmal musste ich an Bonifacio auf Korsika denken.

Bevor ich mich wieder hinabschwang in die Ebene und zum Meer, holte ich mir noch Wasser und trank in einem Lokal einen Latte macchiato. Neben dem offenen Tresen gab es eine gemütliche Grotte, in der mache Stühle mit Schleifen geschmückt waren, und von der Decke hingen viele selbst ausgeschnittene Herzchen. Ich erkundigte mich nach dem Grund, und die junge Frau vor dem Lokal sagte, sie hätten soeben geheiratet, sie, Mara, und Pierpaolo. Mit Cinzia (auf dem Foto links) betreiben sie dieses nette Lokal gerade rechts vom Eingang zur Altstadt (die im Grunde eine Zeile mit Läden voll von Touristenramsch ist). Gerne haben sie sich für ein Gruppenfoto postiert. Aber wie heißt das Lokal? Sie verdecken den Namen. Ich glaube, »Testacla«. Drei Türme, drei Menschen, ein Unternehmen.

Von links Cinzia, Mara und Pierpaolo

Der Rückweg war kürzer, die Staatsstraße hinunter, viel Verkehr, und das ist das andere, hässliche Italien, nicht das gemütliche, ländliche. Die Bundesstraßen sind Schneisen der Verwüstung durch dieses schöne Land, neben ihnen reihen sich Restaurants an Industrie-Flachbauten, und nur Wogen von Autos, Lärm und Dreck. Zwei Welten nebeneinander: Das war mir in Misano wieder am Vormittag aufgefallen. Da gibt es die Strandzone und die kleine Innenstadt, die auf die Urlauber warten. Alles wird herausgeputzt, eine Plastikwelt für drei Monate, und da gibt es dann Cafés, die mondän spielen, mit viel Rosa, Spiegeln und großem Fernseher, wo das Bier dann fünf Euro kostet. Im Supermarkt Conad, in dem ich einkaufte, laufen die armen Leute herum, alte hilflose Witwen und andere Gestalten, die ihre paar Euros abzählen und zwei Kilometer weiter, am Strand, nichts zu suchen haben.

Dann am Meer. Endlich Ruhe. Vor die Anlage, die ich am 2. Mai mit einem Foto gewürdigt hatte, haben sie nun eine große rosa Schnecke gesetzt. Wird schon was bedeuten, vermutlich: Im Urlaub kannst du es langsam angehen lassen.

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