Das Gespenst im Taxi

In meinem Nachtod-Ordner fand ich eine Gespenster-Geschichte, die Fulvio Rendhell irgendwann im Giornale dei Misteri (Florenz) veröffentlicht hat. Randhell ist selber Medium und uralt, hat einstmals den magischen Zirkel Navona 2000 gegründet und viele Phänomene erzielt, und ein paar Bücher hat er auch geschrieben. Ein weltbekannter Okkultist, liest man.

Ich weiß nicht, warum das auf Deutsch ist; ich muss es wohl übersetzt haben. 

SDC10902 (1)(…) Es war ein kalter Winterabend, es regnete im Strömen, und der Himmel wurde von flammenden Blitzen erleuchtet. Ich mußte fahren und bestellte telefonisch ein Taxi. Es wurde mir in zwei Minuten versprochen, aber es vergingen gut und gerne zehn. Als ich mich schon anschickte, noch einmal nachzufragen, hielt ein Taxi von einer anderen Firma als der, die ich angerufen hatte. Der Taxifahrer sagte mir, er sei anstelle eines Kollegen gekommen, der in einen Zwischenfall geraten und verhindert sei. Ich stieg zufrieden in den Wagen ein, denn es war bedeutungslos, wer gekommen war, um mich abzuholen; wichtig war, daß mich jemand von der Straße und dem strömenden Regen auflas. Auf der Fahrt äußerte ich meine Zweifel an dem »Zwischenfall«. Natürlich verteidigte der Taxifahrer seinen Kollegen, aber ich war sicher, daß dieser mit einem Passagier an Bord einfach vorbeigefahren war und daß es überhaupt keinen Zwischenfall gegeben hatte — da vertraute ich meinem besonderen Instinkt.

Der Taxifahrer schaute mich im Spiegel an und sagte, er fände mich unheimlich. Dann fragte er mich etwas Seltsames – ob ich nicht zufällig ein Medium wäre. Seine Frage verblüffte mich ein wenig; ich machte einen Witz und sagte, daß ich auch ein Gespenst sein könnte. Bei diesen Worten erschauerte er sichtlich und erklärte, ihn würde das nicht schrecken, weil er an diese Dinge ganz fest glaube. »Lachen Sie nicht«, sagte er mir, »aber einmal habe ich wirklich ein Gespenst nachhause gebracht.« Ich versicherte ihm, daß auch ich an eine übernatürliche Wirklichkeit glauben würde und daß er ruhig mir sein »Abenteuer« ohne Scheu erzählen könne.

colliportuensiAlso fing er seinen Bericht an. In einer Nacht ließ er einen Jungen einsteigen; dieser war ziemlich bleich, und es schien ihm ziemlich schlecht zu gehen. Der Taxifahrer machte sich Sorgen; so viele Episoden voller Gewalt waren möglich, besonders nachts.

Der Junge bemerkte das Unwohlsein des Taxifahrers und beruhigte ihn, indem er ihm sagte, er möge keine Angst haben, denn er selbst habe — was ihn betreffe — keine böse Absichten, im Gegenteil: Er habe Hilfe nötig. Der Taxifahrer verstand nicht richtig und fragte seinen Fahrgast, was er damit gesagt haben wolle.

Der junge Mann sagte mit zitternder Stimme, flüsternd sozusagen, er solle nicht erschrecken: Aber er sei tot und finde keinen Frieden. Er sei gezwungen, auf der Erde zu schweifen, bis er einen mitleidigen Menschen gefunden habe, der bereit sei, einen Auftrag für ihn zu erfüllen. Er sei müde, in solch einem ungewissen Zustand zu verharren. Sein Leben sei ermüdend gewesen und zu rasch verbrannt worden, aber jener Zustand sei schlimmer noch. »Ich bitte dich« — sagte er —, »mir zu helfen; geh zu meiner Mutter und sag ihr, daß unter dem Fensterbrett in meinem Zimmer, in einer Nische hinter dem Heizkörper das Geld und der Pfandschein der Uhr meines Vaters liegen, den ich an mich genommen und nicht gewagt habe zu verkaufen, weil es das einzig Gute war und die einzige echte Erinnerung, die meine Mutter aufbewahrte. Ich habe dieses Geld gesammelt, aber mein plötzlicher und unerwarteter Tod hat mir nicht erlaubt, meinen Willen auszuführen. Ich bitte dich, geh zu ihr, hilf mir …«

In der Zwischenzeit hatte der Wagen sein Ziel erreicht; der Fahrer hörte, wie sich die Beifahrertür von selbst öffnete und schloß, er drehte sich um: Der Junge war verschwunden, und auf seinem leeren Platz sah der Fahrer einen 50.000-Lire-Schein, das Fahrgeld. Der Fahrer war bestürzt, doch tief im Herzen glaubte er an einen geschickt gemachten Scherz. Aber die Neugier war stärker; am folgenden Tag begab er sich zu dem Ort, an den er den jungen Mann am Abend zuvor gebracht hatte, und holte Informationen ein. Dabei ergab sich, daß es da tatsächlich einen Jungen gegeben hatte, der der Beschreibung des mysteriösen Passagiers entsprach und hier gelebt hatte, jedoch vor einem Jahr an einer Überdosis gestorben war. Der Taxifahrer war verblüfft, denn innerlich hatte er geglaubt, Opfer eines üblen Scherzes geworden zu sein; er schwor sich, nicht mehr an diese Geschichte zu denken.

rom_10Nach einiger Zeit — warum, konnte er selbst nicht erklären — nahm er mit einem Freund, der sich für den Spiritismus begeisterte, an einer Sitzung teil. Das Medium fiel in Trance: Es fing mit einer Stimme zu sprechen an, die sich von ihrer eigentlichen unterschied; die Stimme war jene des jungen Mannes, den in jener fernen Nacht er nachhause gefahren hatte. Er beschwor ihn weinend, sein Versprechen zu halten — zu seiner Mutter zu gehen, was ihm endlich gestatten würde, die Erde zu verlassen und in Frieden zu sein. Die dramatische Sitzung wurde dann unterbrochen, als das Medium am Ende seiner Kräfte war.

Der Taxifahrer war äußerst erschrocken: Jetzt war er überzeugt davon, daß es sich nicht um einen Scherz gehandelt hatte. Am Tag darauf nahm er mit der Mutter des verstorbenen Jungen Verbindung auf, und mit großem Zartgefühl und großer Vorsicht erzählte er ihr alles. Gemeinsam gingen sie in das Zimmer, das dasjenige des Jungen gewesen war, ein ärmliches Zimmer, ganz in Rosa; einige Fotos von bekannten lächelnden Sängern an den schäbigen Wänden, und dann sah er ihn, den jungen Burschen, der zu jung und zu früh gestorben war — derart schnell, daß er nicht mehr die Zeit gehabt hatte, den einzigen Wertgegenstand des Hauses einzulösen.

Zusammen mit der Mutter, die in Tränen aufgelöst war, suchte der Taxifahrer unter dem Fensterbrett, und dort fand er in einer Öffnung, in der man in früheren Tagen die Asche von Verstorbenen aufbewahrt hätte, den Schein und das nötige Geld, um die Uhr zurückkaufen zu können. Genau in diesem Zimmer hing an der Wand das Bild des Jungen, und das Glas zersprang in tausend Scherben.

Der Taxifahrer beugte sich nieder, um sie einzusammeln und sah in die Augen des Jungen, und er sah eine Träne oder einen Tropfen Wasser durch die Feuchtigkeit in dem Augenwinkel glänzen, und — seltsame Sache — es schien ihm, als ob er lächelte. Der Taxifahrer begriff, daß seine Seele schließlich in Frieden war, und daß der Bursche für immer diese Erde verlassen konnte.

 

Rechts unser Palazzo in Rom, dessen Wohnung ganz oben ich von 1999 bis 2004 bewohnte.  

 

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