O arme Makhfi!

Prinzessin Zeb-un-Nissa war die älteste Tochter des indischen Kaisers Aurungzebe. Sie kam 1639 zur Welt, war sehr intelligent, wehrte sich gegen eine Heirat und ging den mystischen Weg, Beim Herumsuchen im Islam-Teil der wunderbaren Internet Sacred Text Archives (wunderbar, wenn man Englisch kann) stieß ich auf ihren Diwan, das ist ein kunstvolle Zusammenstellung von Ghasalis, einer Versform. Es sind 50 durchnummerierte Gedichte mit je 20 bis 30 Zeilen. 

Mit sieben Jahren konnte sie schon den Koran auswendig, da gab es ein großes Fest. Bald schrieb sie Zeb-un-Nissa Gedichte, erst auf Arabisch, dann auf Persisch. Alle Bewerber um ihre Hand schickte sie fort, auch Mirza Farukh, der sehr verliebt war. Im Palast war sie frei, sie versammelte Dichter um sich, mit denen sie sich poetische Wettbewerbe lieferte. Dara Shikoh, ein berühmter Poet, war ihr Onkel.  

Zeb-un-Nissa war Sufi, und ihr verlangte nach Vereinigung mit der Gottheit. Gern ging sie im Garten herum und sprach: »Vier Dinge brauche ich, um glücklich zu sein − Wein und Blumen, fließendes Wasser und das Antlitz des Geliebten.« Sie war schlank und hatte langes schwarzes Haar: Im Museum von Lahore in Pakistan hängt ein Bildnis von ihr. Sie nannte sich selbst Makhfi: die Verhüllte, Verschleierte. Noch ein Bewerber trat auf: Akil Khan. Doch er fürchtete Zebs Vater und zog sich zurück.  

Er war auch zu fürchten. Weil er Zebs Zuneigung zu ihrem Prinz Akbar missbilligte, der eine Revolte geplant hatte, ließ er sie in einer Festung einsperren. Nach ihrer Freilassung lebte Zeb-un-Nissa alleine in Delhi. 1689 starb sie in der Nähe von Lahore, und erst 1724 wurden ihre Gedichte entdeckt, der Diwan-i-Makhfi (das Buch der Versteckten) mit insgesamt 121 Ghasalis. Sie wurden sehr verehrt und bei Sufi-Festlichkeiten laut gesungen.  

Vor hundert Jahren, 1913, haben Megan Lal und Jessie Duncan Westbrook die Gedichte aus dem Persischen ins Englische übertragen. Es geht wie immer bei den Sufis um die ersehnte Begegnung mit der Gottheit, es wird viel geklagt und geweint, und in der letzten Strophe spricht die Dichterin immer sich selbst an: O Makhfi! Ich versuche, einiges (mit Reim) zu übersetzen, damit man einen Eindruck bekommt.  

Ich hebe meinen Schleier nicht,
denn täte ich’s, könnt’ es sein,
dass die Nachtigall stellt’ ihr Singen ein,
der Brahman-Verehrer und der Mann,
der Lakshmis Anmut liebt und dessen Licht
sich gleich abwenden von ihnen dann,
zu sehen mein Gesicht.   
Meine Schönheit könnte siegen.
Denk an die Blume, in der steckt,
wenn sie in einer Laube sich versteckt,
die Seele, duftend, ruht, ganz ungesehen.
Und niemand kann sie sehen.
Mich dürft ihr nur verstehen
Durch meine Verse, anders nicht.
Den Schleier heb ich nicht! 

Nun eins der 50 Gedichte, das ich aus dem Englischen ins Deutsche übertragen habe, in einer Stunde. Klingt etwas kitschig, sicher ist das Persische hundert Mal besser. Denken wir aber an Hafiz und an Rumi, die beide Perser waren. Die Araber glänzten in Prosa, die Perser als Lyriker.  

XIX 

O du Verlassene, o wann, so muss ich flehen,
wird ich den Blumengarten wiedersehen?
Bewahr dir in dir drinnen drum
Den Herzensblumengarten als dein Heiligtum. 

Der Vogel, der im Käfig saß
Und dass er je flog, schon vergaß
Hört Lieder, hört die Räder rollen, hält
Den Käfig für die eigne Welt.  

Du musst nicht bangen,
o Herz, im Liebesnetz gefangen,
dass schmerzt dich bittre Trennungspein:
Denn deine Liebe darf ja bei dir sein. 

So traurig wartend, uns verlässt der Mut,
das Antlitz des Geliebten tät so gut!
Umsonst, doch in uns stets die Hoffnung lag
Auf den ersehnten  Auferstehungstag.   

O Herz, sei treu und sieh sie an
Die Treue des Asketen für Brahman
Das Adernetz auf seinem Körper voll Leid
Ist heilig und ein Ehrenkleid.

Was ist des Liebenden Geschick, 
Verhöhnt, verlassen ganz vom Glück?
Die Welt, so launenhaft, geht hin
Und schreit: Kreuzige ihn!

Was jammerst du so sehr
Über die Kette an den Füßen, die so schwer?
Es steht dir gut zu tragen das Gewicht.
Hast viel gelernt, Ertragen ist dir Pflicht.

Wie Ferhard, der in unwegsamem Land
Verzweifelte und keine Tröstung fand,
den Tod weinend begrüßte, auch du wein!
Das ist ein Trost, der Kummer wird ganz klein.  

Und sieh zurück, sie deinen dornenvollen Pfad
Den schon so lange dein zerschundner Fuß betrat
Die Wildnis hier, berührt vom Blut, das musste fließen
Blüht duftend nun wie unter Rosen, die am Rande sprießen.

O Liebe, soll ich mich beklagen
Über die Todesschlinge um den Hals, die ich muss tragen
Auf dein Geheiß? Nein, wenn deinen Ruhme es mehrt,
durch meinen Schmerz bin ich geehrt.   

O Makhfi, soll das denn dein Schicksal sein –
Ohne den Garten leben, ganz allein?
Sei unbesorgt, das Leben ist ein Traum
Und wir, wenn wir in unserm Raum
Uns umtun, leben, lieben, all den Tand,
sind nichts als Schatten an der Wand.

 

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