Reise nach Santa Marinella

Kurzer Rückblick auf den ersten Teil meiner Reise, die fünf Tage von Cremona nach Santa Marinella. Warum fährt einer mit einem Rad mit 30 Kilo Gepäck 500 Kilometer über die Ebene und durch die Berge? Anscheinend muss ich einmal im Jahr an meine Grenzen gehen, körperlich und psychisch. Es ist auch eine spirituelle Reise. Dann: der Sieg! Das ist einfach überwätigend.

Der Medizinmann und der Sufi-Mönch muss die Einsamkeit erleben, die Mutlosigkeit und Angst. Er muss durch viele Dunkelheiten hindurch, bis er ins Licht vorstößt, das aber auch nur ein Etappensieg ist. Kürzlich las ich bei Arnold Mindell (Dreambody, 1985), der Mensch krieche selber in seine Flasche, um sich daraus wieder zu befreien. Wir erfinden uns Schicksale, weil wir Erfahrungen machen müssen. Alles ist unsere Entscheidung. Ein großes Schauspiel.

Am ersten Tag von  Cremona über die Ebene gefahren, an der Verdi-Villa vorbei, und entkräftet in dem Bergdorf Scuriano gelandet, Zelt neben der Kirche aufgeschlagen, von der netten Famiie der Trattoria gutes Essen bekommen und auch Tipps für den nächsten Tag. Dieser hielt vier Stunden harte Arbeit bereit: bis zum Passo del Lagastrello 50 Kilometer, 600 Höhenmeter. Dann hinunter nach Aulla, bald zum Meer und nach Viareggio zum Campingplatz. Samstag wenig Verkehr auf dem Weg nach Follonica, wiederum am Meer. Mein Zelt auf einem Absatz mit Blick durch Pinienbäume hindurch aufs Meer.

Sah gut aus. Sonntag an Grosseto vorbei und in die Berge, um die doppelspurige Via Aurelia zu vermeiden, und mittags stürzte plötzlich Regen hernieder, und wenn du dich gerade nirgends unterstellen kannst, um dir Regenkleidung überzuziehen, bist du schnell nass. Weiter bis Montiano, da saßen nur in Wohnungen ein paar alte Frauen herum und in einer Wine Bar ein paar gelangweilte Männer. Die gab’s auch in Magliano in Toscana, plus einen arroganten Engländer, der für die Übernachtung gleich 70 Euro wollte und dazu zynisch grinste.

Schließlich landete ich in Marsiliana, einem Ort mit Bar und ein paar lebenden Menschen, darunter Patrizia, die Zimmer vermietete. Der letzte Tag dann zog sich hin. Bei Sprühregen 20 Kilometer hoch nach Manciano, weiter hügelauf und hinab in völliger Einsamkeit 20 Kilometer bis Canino. Die Schafherde, die mir straßenfüllend entgegenkam, war eine gute Abwechslung. (Da hätte ich nun gern das Bild eingespielt, aber das Programm weigert sich.)

Regen setzte ein, es war trostlos. Wieder muss man sich Regenkleidung überwerfen und Zelt und Schlafsack in einen Müllsack packen, und das sind dann die Momente, wo man meint, man kommt nie an. Kurz vor dem Fi nale gibt es diese Anwandlungen. Aber dann löst sich alles, es geht flink bis Tuscania, die Sonne bahnt sich ihren Weg durch dichte Wolken, die den ganzen Tag über mir hingen. Einmal war die Straße vor mir klatschnass; der Regen war vor mir niedergegangen.

Und dann noch hinunter nach Tarquinia, und auf schnurgrader Straße bis Civitavecchia, wo die Sonne über den Industrieanlagen thronte. Der Durchbruch zum Licht, wie ihn sich der Gottsucher erhofft.

Die Kommentarfunktion ist derzeit geschlossen.