Traurige Gesichter

Im Süden ist das Leben so öffentlich – und der Tod auch. Am 1. Mai kam ich von Angelos Buchhandlung, bog um die Ecke, und da kam auf der Straße ein Mercedes mit geöffneter Heckklappe vorbei, gefolgt von 100 Trauergästen zu Fuß. Ich verbarg mich an der Ecke. Am Tag darauf fuhr ich durch Civitavecchia, und vor einer Kirche standen viele Menschen, die nicht mehr Einlass bekommen hatten: zumeist junge Menschen.

Auf der Kirche, deren gelbe Fassade ziemlich abgeblättert war, stand unterhalb des Kapitells: SS. Petro Baptistae et sociis ejus mart. So hieß sie. Ich blieb stehen und schaute zu. Zwei Mal wurde geklatscht, anscheinend war drinnen etwas geschehen, und dann strömten Leute aus der Kirche, Viele hundert waren es insgesamt, ein brauner Sarg wurde herausgetragen, und wieder brandete Beifall auf, diesmal ganz starker.

Man stand herum, dann zerstreute man sich langsam. Viele traurige Gesichter. In Civitavecchia kann man nicht zu Fuß hinter dem Wagen zum Friedhof gehen, er ist zu weit weg. Ich fragte eine alte Frau, ob das ein junger Mensch gewesen sei. »Professoressa«, sagte sie, »50 Jahre alt. Am Gymnasium, daher die vielen jungen Leute. Nicht jung, nicht alt«, seufzte sie. »So sterben sie heute. Guten Tag.« Die Seelen verlassen ihre Körper, jede Stunde, und wer von oben zusehen könnte wie Sue, die tote Heldin in Alice Sebolds Buch Beautiful Bones, würde viel Flugverkehr miterleben.

Der Tod reißt Lücken. Es war die Woche, in der die schöne Laura Chimenti die Abendnachrichten um 20 Uhr auf Raiuno moderierte. Am Freitag nach dem 1. Mai trug sie schwarze Kleider, und dann kam ein Film, der den Journalisten Stefano Campagna vorstellte, der am Tag zuvor mit 51 Jahren gestorben war: ein beliebter Moderator mit Hornbrille und kurzen schwarzen Haaren, immer gut gelaunt. Er war 2007 mutig gewesen und hatte seine Homosexualität öffentlich gemacht. Laura Chimenti schlug nach dem Film ergriffen die Augen nieder und sagte dann: »Es ist schwer, bei dieser Nachricht die Fassung zu bewahren. Entschuldigen Sie.«

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