Spaziergang

Herrlich ist es an einem Sonntag mit bedecktem Himmel in Santa Marinella! Tagesgäste reisen nur wenige an, weil ihnen das Wetter zu schlecht ist. Man geht also durch das Raster der breiten Straßen im Villenviertel am Meer dahin, man lässt sich gehen, denkt und lässt Gedanken kommen und gehen.

Manchmal denkt man auch an die ganze eigene Vergangenheit. Man wandert eine Straße entlang, links die Kirche Santa Maria zum Karmel, dahinter das Meer, zwei schwarz gekleidete Nonnen schlendern vorbei, Bananenbäume und Palmen – alles, was der Süden ist; es könnte Ostafrika sein (wäre es zehn Grad wärmer), Südspanien, Kuba. Nicht mal eine Katze zeigt sich.

Man hat wenig Lust zu schreiben, alles ist von einem weggerückt, und man denkt klarer und unangestrengt. Und so dachte ich mir: Ich bin ja nett und spontan, aber eigentlich bin ich überall hinausgeflogen, wo ich beschäftigt war. Ich war nicht tragbar. Die Leute waren froh, als ich wieder weg war. Ich bin ein belebendes, oft ein störendes Element, und das mögen die meisten nicht. Alles soll so bleiben, wie es ist.

Es ist tatsächlich das Problem von Kontrolle und Autonomie. Wieviel Chaos und Leben kann jemand ertragen, ohne nervös zu werden? Die meisten wollen totale Kontrolle ausüben, und vor allem Organisationen sind konservativ (obwohl man immer sagt, dass Erneuerung not tut, Reformen wichtig sind) und wollen so bleiben, wie sie sind. Das störende Element wird isoliert und ausgestoßen. Veränderungen akzeptiert man nur, wenn es nicht mehr anders geht.

Wassermänner lassen sich nicht gerne herumkommandieren, weil die Freiheit ihnen das höchste Gut ist, und sie machen ihre Sachen immer auf höchst individuelle Art. Aber sie bringen auch Leben in das Leben. Und da das bunte Leben es schwer hat um grauen Leben des Wirtschaftens, müssen die Wassermänner sich irgendwo einen Platz suchen und an der Peripherie entlangdriften; das passt ihnen gut.

Viel Leben herrscht zwar in Santa Marinella nicht an so einem Sonntag, die Rollläden der Villen sind fast alle heruntergelassen: traurig. Doch diese Atmosphäre versenkt einen in einen träumerischen Zustand. Danach kann man wieder nach Rom fahren.

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