Viel Abhub

Zuletzt stand mein Kriminalroman bei Amazon auf Platz 990.000. Ich habe seither nicht mehr nachgeschaut, es ist zu deprimierend. Viele Exemplare werden in Büchereien verkauft, sie gehen also nicht in die Amazon-Statistik ein, trotzdem ist es niederschmetternd. Man hat keine Chance, es gibt zu viele Bücher.

Bei Walter Benjamin (1892-1940) habe ich in seinem Aufsatz Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit eine Stelle gefunden, die das Problem schon anreißt.

Jahrhunderte lang lagen im Schrifttum die Dinge so, dass einer geringen Zahl von Schreibenden eine vieltausendfache Zahl von Lesenden gegenüberstand. Darin trat gegen Ende des vorigen Jahrhunderts ein Wandel ein. Mit der wachsenden Ausdehnung der Presse, die immer neue politische, religiöse, wissenschaftliche, berufliche, lokale Organe der Leserschaft zur Verfügung stellte, gerieten immer größere Teile der Leserschaft – zunächst fallweise – unter die Schreibenden. (…) Damit ist die Unterscheidung zwischen Autor und Publikum im Begriff, ihren grundsätzlichen Charakter zu verlieren. … Der Lesende ist jederzeit bereit, ein Schreibender zu werden. Als Sachverständiger … gewinnt er einen Zugang zur Autorschaft.

Das sieht man ja heute: Polizisten und Anwälte schreiben Krimis, weil sie Sachverständige sind, und Lehrerinnen und Sozialarbeiterinnen schreiben, weil sie mehr vom Leben wissen als ein Autor, der ja auch nur ein Autodidakt ist und günstigenfalls Talent mitbringt. Talent, das ist heute nicht mehr wichtig. Benjamin lässt in einer Fußnote Aldous Huxley zu Wort kommen, mit Auszügen aus einem Aufsatz von 1935 (Croisière d’hiver). Sein »Abhub« (wie ist wohl das englische Wort?) meint wohl einfach trash, also mindere Werke.

Es ergibt sich also, dass in allen Künsten, sowohl absolut als verhältnismäßig gesehen, die Produktion von Abhub größer ist als sie es früher war; und so muss es bleiben, so lange die Leute fortfahren so wie derzeit einen unverhältnismäßig großen Konsum an Lese-, Bild- und Hörstoff zu üben.

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