San Bruzio, tausend Jahre später
Das letzte Bild der Toskana-Fotostrecke vor einer Woche zeigte die verfallene Abtei San Bruzio, die 2 Kilometer von Magliano in Toscana in der Ebene steht. 11. Jahrhundert. Und dann macht sich das 21. Jahrhundert in seiner ganzen Dummheit breit, zu lesen auf einem dreisprachigen Schild am Zaun. Entspannen Sie sich und genießen Sie!
Wo anfangen? Ich fuhr mit dem Rennrad hin und stand an einem Zaun, dahinter das Bauwerk. Unten hatte jemand den Zaun aufgebogen, und ich kroch hindurch, ging ein paar Meter weiter … und sah, dass es weiter links überhaupt keinen Zaun mehr gab! Ich hätte von vorn gemütlich auf die schöne alte Abtei zugehen können. Wie doof.
Dann sah ich das Schild.
»Sehr geehrter Gast,
QRTravel steht zu Ihrer Verfügung: dank dieser fortschrittlichen Technologie werden Sie die, von unserem Gebiet angebotenen, schönsten Orte und Sehenswürdigkeiten im Voraus kennen.
Laden Sie kostenlos direkt vom Store Ihres Smartphones oder Tablet den QRCode Reader herunter und erfassen Sie den Code, der unten rechts steht; falls Ihr Gerät NFC fähig ist, nähern Sie es einfach dem NFC Tag neben dem Code.
Und jetzt entspannen Sie sich und genießen die Filmaufnahme!
QRTravel ist einfach, schnell und vor allem KOSTENLOS!
Viel Spaß!«
Das ist Schwachsinn in Hochpotenz. Nach dieser komplizierten Prozedur kann man also eine Filmaufnahme sehen. Was wird da zu sehen sein? Sicher keine Originalaufnahmen aus dem 11. Jahrhundert, vielleicht eine Inszenierung, aber: Ich stehe ja vor diesem Monument. Ich muss nur hineingehen. Und was heißt im Voraus kennen? Ich bin ja hier und will jetzt etwas wissen.
Was man übrigens über die Abtei San Bruzio gesichert weiß, ist so wenig, dass es auf einem Viertel des Schildes in drei Sprachen Platz gehabt hätte, auf einem Mini-Schild. Vermutlich erbaut von Benediktinern im Jahr 1000, dann aufgegeben. Statt diese Information bereitzustellen, setzt man auf fortschrittliche Technologie.
Das erinnert mich an den Weg oben am Castellberg in meinem Ort, an dem Schilder verkünden, man könne eine Nummer anrufen und erfahre dann, was es über den Berg zu wissen gelte …. statt es einfach auf ein Schild zu setzen. Statt die einfachste Lösung zu wählen, verrätselt man alles. Man will es mir erschweren, an die Information zu kommen. Der Schüler muss den Weg der Einweihung gehen.
Technik, das ist die Magie der Moderne, die unser Leben verkompliziert, weil Menschen in Touristikbehörden meinen, mit der Zeit gehen zu müssen. Für die Touristen ist das kostenlos, aber die Behörden ließen sich vermutlich einen Vertrag mit QRTravel aufschwatzen und zahlen für diese Idiotie noch. Reicht nicht ein Buch, der Toskana-Führer? Obendrein werden Menschen ausgeschlossen, die zufällig kein Smartphone oder Tablet besitzen. Man ist plötzlich ein Mensch zweiter Klasse. So dringt die Dummheit in unser Leben ein, und gegen sie, das wusste Schiller, kämpfen Götter selbst vergebens.