Ein Radler in Rom
Und wie kam es, dass ich in Rom Fahrrad fuhr? Ich war neu in der Stadt, Herbst 1999, und — so hasenfüßig war ich — erst einmal war ich bereit, das Rad an den Nagel zu hängen. Fuhr manchmal zaghaft ein paar Straßen entlang. Erst ein Jahr danach, im Heiligen Jahr 2000, lernte ich die Radler vom Verein Ruotalibera kennen. Ja, erst in Rom bin ich zum leidenschaftlichen Radfahrer geworden.
Erst war ich nur Beobachter. Im Fernsehen lief Ende Oktober 1999 die Straßen-Weltmeisterschaft, die Oscar Maria Freire überraschend für sich entschied. Giovannas Onkel und Tante kamen vorbei, daran erinnere ich mich noch gut. — Ich hatte nur mein gelbes Specialized bei mir, kein Rennrad, und so rollte ich später zuweilen durch die Parks, tankte mich mühsam durch ins Goethe-Institut, um Bücher zu holen; meine Nachbarn kannten mich nur mit dem Rad (ein Auto hatte ich nicht). Aber ich war ein Solist.
Einmal hatten wir die Wäsche auf der Terrasse aufgehängt und die Wolken nicht genau beobachtet. Ich war gerade mit dem Rad in der Villa Doria Pamphili unterwegs, inmitten eines Wegs durch Dickicht, als es dunkel wurde, Regen fiel mit Hagelkörnern, die — pling, pling! — den Rahmen trafen und — plang, plang! — meinen Helm. Die Wäsche konnte man dann gleich wieder waschen.
Das mit Ruotalibera begann mit einem Unglück. Ich hatte mir im März 2000 ein Massetani-Rennrad gekauft, weiß-blau. Dann hatte ich den merkwürdigen Einfall, an Ferragosto, den ich alleine in Rom verbrachte, eine richtige große Tour in den Abruzzen zu planen. Ich saß im Zug, und da war auch ein anderer Radler: Romano Puglisi. Erst später begriff ich, dass ich den legendären Veteranen der Zweirad-Mobilität in Rom vor mir hatte, der schon 1984 im ersten Verein Pedaleverde darum gekämpft hatte, das Rad in Zügen mitnehmen zu können.
Zehn Jahre nach dem ersten Treffen: Der Autor und Romano. Zwei Radfahrer genießen die SonneWir tauschten die Telefonnummern aus, ich brachte meine Tour hinter mich, war kurz vor Subiaco, und nur wenige Kilometer trennten mich vom Bahnhof. Da nahm ich dummerweise meinen Helm ab, weil es so heiß war. Ein Hupsignal von hinten irritierte mich, ich drehte mich um (sollte man nie tun!), verzog das Rad, rutschte in eine Rinne neben der Straße, bremste und überschlug mich und traf mit dem Kopf auf. Es war ein Bus, der gehupt hatte. Er nahm mich mit, ein anwesender Arzt untersuchte mich, aber es war nichts passiert.
Ein paar Wochen hatte ich Beschwerden. Einmal musste ich zum Arzt und nahm den Bus. Es regnete. Der Bus kam nur im Schritttempo voran. Ich musste absagen. Ich begriff: So hatte das keinen Sinn. Man musste einfach Fahrrad fahren, sonst kam man nicht voran. Irgendwie würde man überleben. Was ist das Leben ohne Radfahren!
Romano rief an, ich vertröstete ihn, und irgendwann, im Oktober 2000, traf ich dann mit den Ruotalibera-Leuten zusammen. Es waren sympathische, warmherzige Menschen, mit denen ich mich auf Anhieb gut verstand. Von da an war ich nicht mehr allein, wir fuhren fast jeden Sonntag hinaus, veranstalteten Aktionen am ökologischen Sonntag, an dem Autos in der Innenstadt nicht fahren durften, wir trafen uns zu Critical Mass und trieben dabei Autofahrer zur Weißglut. Der Geist des Vereins ist gut in dem Roman Mörderisches Rom (2007) wiedergegeben.
Ruotalibera bei einer Ausfahrt (2002)