Es war (nicht nur) einmal

Vor drei Jahren, als ich Zeit und Bewusstsein schrieb, wurde ich auf den Engländer J. B. Priestley (1894-1984) hingewiesen, der in seinen Bühnenstücken die Zeit thematisierte. Nun las ich I Have Been Here Before von 1937: beeindruckend. Erleben wir alles immer wieder? Dasselbe Leben viele Male? Wie befreien wir uns?

In einem kleinen englischen Gasthof trifft Dr. Görtler ein und verwirrt das Wirtsehepaar Sally und Sam. Wie der deutsche Gelehrte vorhersagt, stößt ein Paar dazu, die Ormunds (er: 40 Jahre, seine Frau Janet: 28), und im vierten Zimmer übernachtet der junge Schulrektor Mr Farrant. Görtler (merkwürdiger Name, wie zusammengesetzt aus Göring, Goebbels, Hitler, aber er ist ein Verfolgter der Nazis) wirkt, als wisse er mehr als die anderen. Ihm gesteht Ormund, der einflussreiche Industrielle, dass er unglücklich ist und seine Frau ihn nicht mehr liebt.

Sally spürt eine Verwirrung, die auf die Anwesenheit Görtlers zurückzuführen ist. Er soll am nächsten Morgen verschwinden. Es wird dramatisch: Ormund ist immer betrunken und hat eine Pistole in seiner Garage, seine Frau Janet geht spazieren, und Farrant bleibt Stunden hinter ihr. Dann … stehen sich die beiden Spaziergänger gegenüber, wechseln ein paar Worte und sinken sich in die Arme. Sie lieben sich.

Dr. Görtler taucht noch einmal auf, weil er sein Notizbuch vermisst, auf dem steht Wiederkehr und Dazwischenkunft. Was es bedeutet, erläutert er Mr Ormund. Wir lebten alles immer wieder, es ist die ewige Wiederkehr, von der auch Nietzsche sprach, aber wir leben in Spiralen, nicht in Kreisen: Wir können uns befreien, trotz allem.

Janet will ihren Mann verlassen und mit Farrant zusammen sein. Nun gesteht Görtler, er habe eine Art Traum gehabt: Die beiden hätten sich gestritten, seien unglücklich gewesen. Warum? Alles sei in die Brüche gegangen, viele Menschen in den Ruin gestürzt, denn Ormund habe sich aus Kummer über die Trennung erschossen. Diese Information aus einer anderen Zukunft lässt die Beteiligten nicht kalt.

Was tun? Janet sagt mutig: Sie werde bei ihrem Mann bleiben. Sie verabschiedet sich von Farrant. Das könnte die Zukunft verändern und alle retten. Ormund ist skeptisch. Wenn sie an seiner Seite bleibe, werde ihn das nicht am Leben halten. Lesen wir den Dialog weiter, um zu hören, wie das im Stück klingt (übersetzt von mir).

Dr. Görtler: Niemand kann Sie am Leben erhalten, nur Sie selbst.
Ormund: Und ich will nicht weiterleben.
Dr. Görtler 〈trocken〉: Ich werde Ihnen keine Träne nachweinen, mein Freund.
Ormund 〈verärgert〉: Hat Sie zum Teufel jemand darum gebeten?
Dr. Görtler: Aber ich muss Sie daran erinnern — es gibt keinen Ausweg.
Ormund: Nein? Ich nehme an, weil Sie glauben, dass wenn ich den Sprung in die Dunkelheit tue, ich mich wieder in derselbem alten Hamsterrad wiederfinde. Nun, ich glaube es nicht. Ich kann Frieden finden.
Dr. Görtler: Können Sie nicht. Der Frieden wartet nicht irgendwo auf Sie.
Ormund: Wo ist er dann?
Dr. Görtler: Sie müssen ihn schaffen.

Doch dann … ergibt sich eine neue, überraschende Lösung, die man sich auch denken kann. Auf welche Weise könnte die Zukunft noch verändert werden? Unter dem Bild: die Auflösung. Wer das Stück selber lesen will, sollte auf die letzten Zeilen verzichten.

Die Zertrümmerung der Zeit. Bild von Rolf Hannes

Die Zertrümmerung der Zeit. Bild von Rolf Hannes

Nun stellt sich Ormund hin und sagt, seine Frau solle mit Farrant leben. Sie liebten sich doch. Er werde sich nicht das Leben nehmen, er werde tapfer weitermachen. So wird es beschlossen. Damit tritt ein Knick in der Endlosschleife ein. Eine neue Zukunft wird geboren. Vielleicht schaffen wir es beim nächsten Mal. Wir wissen, wo wir versagt haben. Wir werden aufwachen und alles reparieren.

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