So Gott will

Ich fuhr mit dem Rad zum Rhein-Kanal an der Schleuse Fessenheim ― und direkt vor mir lag vertäut das Lastenschiff mit dem Namen Dios mediante aus Dordrecht. Das heißt So Gott will und wurde im Spanischen oft mit D. M. abgekürzt. Am gegenüberliegenden Ufer lag die Deo Gratias, Dank sei Gott. Amen, dachte ich.

Man entkommt der Großen Unendlichkeit nicht, und gerade war ich ja in Rom. Oben an die Decke der Sixtinischen Kapelle hatte Michelangelo die Erschaffung des Menschen hingezaubert, und ich fürchte (wenn ich die Gottesdienstbesuche mit meiner Mutter in Staufen denke), viele Christen glauben noch an einen persönlichen Gott mit Bart und einem gütigen Lächeln, wie Michelangelo ihn fünfhundert Jahre vorher malte.

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Und dann das Jüngste Gericht! Christus erhebt die rechte Hand und verdammt die Sünder, und rechts von ihm paradieren oder quellen die Guten vorbei, die gerettet werden. Davor hatte man Angst, es war aber auch eine Chance.

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»Tatsache ist, dass der Mensch des Abendlandes sich vor fünfhundert Jahren in einem seelischen Gleichgewicht befand, das wir uns heute kaum noch vorstellen können«, staunte in einem Aufsatz Hoimar von Ditfurth 1947, nach Ende des furchtbaren Krieges. »Das Weltbild des mittelalterlichen Menschen ist die göttliche Weltordnung. … Die Welt ist dem Menschen göttliche Schöpfung, in allen ihren Einzelheiten. So ist auch seine eigene Rolle gottgewollt. Gerecht ist dieseWelt insofern, als auch er, wie jeder andere an seiner Stelle, angezogen von der Liebe Gottes, dessen Kreatur er ist, die Stufe menschlicher Vollkommenheit … durchschreiten kann, bis er in Gott seine Ruhe findet. Aber auch diese Vervollkommnung liegt nur zum kleineren Teil in seiner Macht, sie ist ein Akt der göttlichen Gnade, derer er jedoch würdig sein muss.«

Mittelalter war eine grausame Zeit. Wir wissen das, haben ja unsere Medien und Internet. Vielleicht kam das »seelische Gleichgewicht« der Damaligen daher, dass sie wenig davon wussten, wie grausam der Mensch sein kann? La Repubblica hat neue Daten über den Afghanistan-Krieg (hier etwas zum Irak). Von 2001, als die US-Operation Enduring Freedom begann, bis 2014 starben 110.000 Afghanen − 30.000 Zivilisten, 40.000 Polizisten und Soldaten, 40.000 Taliban (sind aber auch Menschen) Es starben auch 3.504 westliche Soldaten. Gekostet hat das ganze Ding bislang 783 Milliarden Dollar. Im Yemen beschoss ein Flugzeug Anfang Oktober eine Beerdigungsfeier; 150 Menschen starben, 520 wurden verletzt. Eine halbe Million Tote durch den Syrien-Krieg, 45 Prozent der Bevölkerung auf der Flucht. Aleppo wird verwüstet, und überall wird auch auf Krankenhäuser geschossen. Da soll man im seelischen Gleichgewicht sein?

Helloween. Das ist eine Art Fasching im Herbst, eine spaßhafte Verarbeitung des Todes, wie es – ernsthafter – in den Basler Totentänzen ebenfalls vor fünfhundert Jahren geschah. Alles kommt wieder, gut verkleidet, alles drückt sich aus und sucht, ohne es zu wissen, die Verbrüderung, den Zusammenschluss gegen das, was den Menschen bedrängt, und es ist nicht die schlechteste Art, sich über den Tod lustig zu machen, denn eigentlich kann er uns nichts antun, er ist nur Leben in anderem Gewand, und denken wir ein paar Sekunden an den geschundenen, zerbombten Nahen Osten und hoffen wir wieder einmal: auf Hillary.

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