Unter dem Vulkan

Heute: Allerseelen. Also noch einmal ein Beitrag über den Tod und Verwandtes. Meine geschätzte Ex-Partnerin Giovanna befindet sich derzeit in Mexiko, auf einer Reise durch das Land. Da fiel mir gleich der großartige Film Unter dem Vulkan (1984) von John Huston (1906−1987) ein, mit Albert Finney und Jacqueline Bisset. Beklemmend.

 

Ich hatte ihn aufgenommen, und auf einer meiner alten VHS-Kassetten muss er noch schlummern, dieser Film nach dem gleichnamigen Buch des Engländers Malcolm Lowry (1909−1957). Der ehemalige Konsul Geoffrey Firmin (Finney) erlebt seine letzten Lebenstage, wankt meist betrunken dahin, die Augen von einer Sonnenbrille verborgen. Seine frühere Frau besucht ihn, sieht aber, dass sie ihn nicht mehr retten kann. Der alte Konsul ist nur noch ein Wrack, Strandgut, Spielball der Gezeiten.  

Auf einem Rummelplatz verliert er seine Ausweise, und endlich erreicht er unter dem Vulkan Popocátepetl eine Hütte, die von Kriminellen bevölkert ist. Ein böser kleiner Mann bedroht ihn. Die aggressive, lebensbedrohende Stimmung in und vor dieser Hütte geht einem unter die Haut. Es ist wahrhaft eine Odyssee durch die Hölle, und da ist das weiße Pferd, das am Ende aus dem Nichts auftaucht und den Konsul niederstreckt, fast ein Retter: der Tod als Befreiung. 

Der „Strand der Toten“ in Andalusien

Lowry schildert Mexiko als Land voller gebremster Wut und Lethargie, inmitten von Hitze und Verfall. Ich glaube, das Totenfest wird auch geschildert, denn in Mexiko gibt es am 1. November Süßigkeiten, die wie Skelette und Totenköpfe aussehen, und die Menschen feiern auf dem Friedhof. Natürlich ist Mexiko ein tief katholisches Land, in der alte Bräuche und christliche Gedanken zusammengefunden haben. So ist das auch auf Sizilien. In Rom erzählte mir Romanos Frau Lucia, dass dort lange Zeit die Kinder am 1. November statt am 24. Dezember oder am 6. Januar Geschenke erhielten, als kämen sie von den Ahnen, zu denen man den Kontakt nie abreißen ließ. 

John Huston drehte seinen letzten Film nach einer Erzählung von James Joyce:  The Dead (Die Toten). Er kam 1987 heraus, in Hustons Todesjahr. Die Hauptdarsteller waren Anjelica Huston (Johns 1951 geborene Tochter) und Donal McCann, der den Gabriel spielt. Eine Familie kommt zum Weihnachtsessen zusammen. Dabei erfährt Gabriel von seiner Frau Gretta, dass sie einmal einen jungen Mann liebte, Michael Fury, der früh starb. Die letzten Zeilen sind unglaublich dichte Prosa, ich habe sie immer bewundert. Falling softly / softly falling. — Falling faintly / faintly falling. Joyce hat das streng durchkonstruiert. Ich muss das auf englisch zitieren:

»Yes, the newspapers were right: snow was general all over Ireland. It was falling on every part of the general plain, on the treeless hills, falling softly upon the Bog of Allen and, farther westward, softly falling into the  dark mutinous Shannon waves. It was falling, too, upon every part of the churchyard on the hill where Michael Fury lay buried. It lay thickly drifted on the crooked crosses and headstones, on the spears of the little gate, on the barren thorns. His soul swooned slowly as he heard the snow falling faintly through the universe and faintly falling, like the descent of their last end, upon all the living and the dead.« 

† † †

Ich dachte an Irland. Ich las im Internet das Buch The Celtic Twilight von William Butler Yeats (1865–1939) und hörte dazu  melancholische Weisen von der Insel. Es war die Platte Irish Heartbeat von Van Morrison und den Chieftains, erschienen 1988, in dem Jahr, als ich in Hamburg das Konzert zum 25-jährigen Bühnenjubiläum der Dubliners miterlebte. Van Morrison sang da auch mit, meine Mutter war zufällig zu Gast und auch im Konzert, und seitdem erkennt sie sofort die Stimme Morrisons wieder. 

Ich fand heraus, dass die Dubliners jetzt ihr 50-jähriges Bühnenjubiläum feiern, wie damals unter der Ägide der Konzertagentur Karsten Jahnke. Das ist ja wie im Feen-Land, wo man sieben Jahre als einen Tag erlebt! Gestern haben sie ihre Deutschlandtournee eröffnet und sind in München aufgetreten. Leider ist dieses Jahr ihr Mandolinist Barney MacKenna gestorben, ein Gründungsmitglied, und deshalb ist das ihre Abschlusstournee.     

 

Ein Kommentar zu “Unter dem Vulkan”

  1. Regina

    Lieber Manfred,

    Vor kurzem hat sich ein alter Bekannter (Geschäftsmann, viele Schulden und Anzeige wegen Steuerhinterziehung) das Leben genommen. So verzweifelt. Drecks Kohle ! Es gab kein weißes Pferd. Sein Retter war er selbst und der Tod als Befreiung wohl der einzige Ausweg? Traurig. ciao, Regina