Das Jahrhundertrennen (2)
Weiter im Text. Als nächstes erwartet euch der Teilemarkt, eine Diskussion über Geschichte und Ewigkeit und das erste Treffen der Hochrad-Elite, die sich auf die Weltmeisterschaft vorbereitet. Die großen Rennen machen dann die dritte Folge aus; zunächst Fahrrad und Technik sowie die Kunst des Reparierens und des Vermeidens von stuckness. Seid gespannt!
Der Teilemarkt
Wer was verdienen will an diesem Tag, der darf nicht säumen.
Der geht schon früh zum Wagen, klappt einen Tapeziertisch auf.
Sucht aus, wägt ab, freut sich, fängt an zu träumen
Und legt die Schätze sorgsam aus. Und Schätze gibt’s zuhauf!
Ein jeder arbeitet an seiner höchstpersönlichen Komposition,
damit der Blick im Sammelsurium gleich fällt aufs Wahre.
Man weiß, was dieser Klientel gefällt, die Attraktion
entsteht durch Blicke, durch Begehr auf die Juwelen in der Ware.
Auf knapp zwei Dutzend Tischen, aufgereiht am See und auf nem Steg
Liegen da viele hundert (oder tausend) Objekte seltsamer Begierde,
und eine andächtige Prozession geht ihren Weg
vorbei an diesen schönen Dingen, echte Werte, nicht bloß Zierde,
die auch begehrend Blicke streifen,
die man langatmig sich erklären lässt,
nach denen tastend Hände greifen
von Leuten, denen klar ist: Das hier ist ein Fest!
Felgen, Naben, Ösen, Mäntel, Schläuche, Speichen,
antiquierte Vorderlichter, Schweizer Kantonalplaketten,
Aufkleber, Aufnäher, Mützen, englische Abzeichen,
Werkzeug, Werkzeugtäschlein, alte Etiketten …
Die Tschechen haben alte Räder aufgeboten,
das Stück für hundertfünfzig, alle ziemlich rostig,
da sind Militärmützen der Russen und auch Messer (nicht verboten?)
und Wimpel von der DDR und Orden, alles ziemlich ostig.
Ludwik Stich und Vaclav Terezin sind große Schrauber.
Und improvisiern am Endpunkt des berühmten Teileshops
einen kleinen Workshop, und zehn Besucher sagen: sauber,
wir lassen uns was zeigen. Eine Schraube ist zuviel, ne andere geht hops,
die Tschechen bringt das nicht aus ihrer Ruhe,
die Sprache braucht man nicht, es reichen Gesten,
sie holen Werkzeug und kleine Objekte aus ihrer Truhe,
halten sie hoch und deuten einen Handgriff an, den besten,
und lassen einen Teilnehmer das wiederholen.
Unweit davon sieht Claude, der Appenzeller, zu
und sagt Leszek, den hünenhaften, einzig anwesenden Polen,
auf Deutsch, dass Reparieren wichtig ist, doch sagt er auch: „Kennst du
das Buch von Robert Pirsig über Zen in der recht hohen Kunst der Reparatur
beim Motorrad? Es gibt kein Werk, aus dem man drüber mehr erfuhr.
Das Wörtchen ‚stuckness‘ ist dem Pirsig wichtig,
denn machst beim Reparieren du auch formell alles richtig,
so kommt doch ein Moment, in dem es stockt und ‚harzt‘,
wie ja wir Schweizer sagen; wenn der kundige Motoren-Arzt
sich mit seinem Latein am Ende sieht, he’s stuck,
und dabei flucht er und wird nervös, ruft ‚fuck!‘
Ein junger Fahrradfachmann rät, die ganze Prozedur
von neuem zu beginnen, damit der Schwachpunkt der Reparatur
sich so enthüllt; doch Pirsig rät zu einer Pause
und zum Verlassen seiner stillen Reparierer-Klause,
um nach nem Imbiss, einem Bier erneut sich dranzumachen.
Dann klappen auch die unglaublichsten Sachen.“
Steisbein hat lächelnd, nickend dem Claude zugehört
Und sagt, er kennt das Buch, er schalte sich „beflissen ein“,
klar, dass die „Stuckness“ einen Reparierer stört,
doch dann sich auszuklinken, müssse ja nicht sein.
„Denn Pirsig schreibt: Starr die Maschine einfach an,
beschau sie dir wie eine Angelschnur, bevor der Fisch ist dran,
und lebe so mit ihr, vergiss dich, und er das beschwört,
dass man dann bald schon eine Nachricht hört,
so leise, wie die Welle, die am Strand verrauscht,
und hören tut es nur, wer’s hören will und ohne Ego lauscht.
Ach, Pirsig schrieb vor über vierzig Jahren,
dass emotional entleert ist diese Welt, zerstört, verfahren,
dass unsre Rationalität uns weit vom Herz entfernt,
ästhetisch alles sei bedeutungslos, spirituell entkernt,
so sei es heute, und so wie es sei, werde es lange bleiben.
Und ‚Qualität‘ ist, wenn Subjekt und Objekt sich nicht reiben
Und eins sind. Datensammeln, Faktenfinden, das macht blind.
Einssein ist das wahre Glück: Als wärest du ein Kind.
Ich möchte zu den Rädern etwas noch ergänzen:
Das Herrichten von alten Rädern hat auch seine Grenzen.
Der abgeschabte Rahmen muss so bleiben,
man darf es mit der Putzwut niemals übertreiben.
Kein Chrom gehört dorthin, wo vorher keiner war,
was hundert Jahre alt, sei niemals hell und klar;
die Spuren des Gebrauchs muss man nicht übertünchen,
sonst will der echte Veteranenfahrradfreund dich lynchen.“
Leszek dankt den beiden untertänig.
Er fand es nett, verstanden hat er wenig,
weil er im Deutschen nicht geübt sehr ist.
Doch „stuck“ und „fuck“ er nie vergisst.
Es wird verhandelt, dann gezögert, übern Tisch geht Geld,
und Dinge wechseln den Besitzer, und die neuen sind so froh
und gehen fort und legen ihre Schätze gut verwahrt ins Zelt.
Genau das Teil hat man gesucht und lang gefragt, wo find ich’s, wo?
Ein Fahrrad und sein Fahrer/seine Fahrerin ist ein Gesamtkunstwerk,
bei dem jedes Detail auch stimmen muss.
Damit fährt man nicht unbedingt auf einen Berg,
jedoch bei der Kostümausfahrt ist ein gelungner Auftritt ein Genuss.
Geschichte und Ewigkeit
„Ja, Nostalgie“, sagt einer im Vorübergehn, nicht eine Hauptfigur,
einer mit langen blonden Haaren, den alle Rudi nennen,
ein Deutscher, der gern sagt, er sei ja übernational und nur
ein Zaungast, den jedoch fast alle grüßen und auch kennen.
Man weiß, er hat vor Jahren mal ein englisches Fahrrad entwendet
Bei einem solchen Treffen, in Lindau, Bodensee, lange ist das her,
weil, wie man sagt, ne Bank ihm dafür haufenweise Geld gespendet,
Uganda war das Land, erhofft hatte des Geldes man sich mehr,
vielleicht lag auf dem alten Sunbeam-Rad ein Fluch,
der Engländer kriegt damals einen gut bemessenen Betrag,
der tausend Mal über dem Wert der alten Mühle lag,
aber das steht viel genauer in nem anderen unbekannten Buch.
Rudi findet seinen Sparringspartner in der Philosophin Anne Savognin,
eigentlich Professorin für Soziologie an einer Uni, ganz genau: in Chur.
Sie stellte vor sich brav ein altes Saurer-Rad aus Arbon hin,
als sei sie Fan von Rädern, doch ist sie andern Dingen auf der Spur.
Denn sie sondiert das Phänomen der Oldtimer, der Nostalgie,
und Rudi, diesem Außenseiter, konnt sie’s verraten.
Beim ersten Wortwechsel begriff er gleich, dass sie
zwar Technik schätzt, doch lieber nichts hat als die Geistestaten.
Rudi sagt: „Der Fortschritt kam durch die moderne Zivilisation,
die produziert wie wild. Die nächste Sensation
wird angedacht und vorbereitet, wartet schon,
man kauft sie und gehört dazu, das ist der Lohn.
Technik ist auch Geschichte, was alt ist, das ist unmodern
Und wer vor fünfzig Jahren lebte, glaubt man gern,
war wohl ein anderer, rückständig und auch dumm,
und wir sind überlegen. Und niemand fragt warum.
Ein Indianer, auf der Steppe, lebte immer auf dieselbe Weise,
dieselben Kleider, Jagd, das Zelt, die nächste Reise,
zweihundert Jahre siehst du nicht.
Keine Geschichte, Ewigkeit, und nur das Licht
Des Tagesanbruchs und das blasse einer Nacht,
die nächsten tun dasselbe, keinen Unterschied es macht.
Ist das nicht schön, es bleibt so tausend Jahre, immerzu,
die Alten leben in der Ahnenwelt, und alles ist nur Manitu.“
„Doch du sprichst“, sagt Anne, „wie sehr wohl du weißt,
von längst vergangnen Zeiten, was mir nichts beweist.
Ich bin als Soziologin mit im Boot der heut’gen Zeit:
Veränderung, die Mode, Trends und nicht die Ewigkeit!“
Da wirft der Rudi ein, dass hier seien vereint
viele Epochen, Zeiten, alles hier zur selben Zeit, „und wie man meint,
ist alles, was jemals geschehn, gespeichert in dem Äther.
Wir reden hier, und nebenan, da sind die Väter,
getrennt von uns durch einen Schleier zwischen Dimensionen,
die aufzusuchen für uns sich würd lohnen.“
„Ich seh“, lacht Anne, „du bist unverbesserlich,
ein Esoteriker, in andren Welten, jedoch, ich geb’s zu, unwiderstehlich!“
Das ward gesprochen auf dem Steg, mit Blick zum Orte des Geschehens,
der sich allmählich leert, wo Tische man zusammenlegt
und noch ein wenig plaudert und dann stutzt, da unversehens
es zwei Uhr schon geworden ist, denn man pflegt
mittags zu speisen, und hat im Handel und Gewühl gar nicht gefühlt,
was man nun fühlt und was dem Fernradler nicht unbekannt:
Dass Hunger stark in den Gedärmen wühlt
grad wie ein Maulwurf gräbt sich unten durch das Land.
Wälti, Claude und Peter lieben ihren eigenen Proviant,
sie holen Brot heraus und Käse aus dem Kanton Appenzell,
aus Ausserrhoden, wo man ist ein Reformierter, Protestant,
wie’s sind Louis Dreher auch, die Elsbeth und Riccardo Hell.
Der Campingplatz hat auch ein kleines Restaurant
mit fairen Preisen, und wer will, kann schnell
hochradeln zum Hotel, dahinter liegen nebst dem Döner-Stand
die Anwesen von Rewe, Lidl, Penny und der „Durstlösch-Quell“.
Die Hochrad-Elite
Der Norweger Pål Janssen sitzt an einem internationalen Tisch.
Versammelt sind die Hochradfahrer: Loggle, Alma von Blankenhorn,
Freddie Wouters und Pierre Latigue, und einen Wisch
studieren die zwei Bayern Nobel und Bachleitner, „vorn“,
das sagen sie sich, sind ganz logisch mir, es iss a runde Streckn,
um vierzehn Uhr, vier Mal drumrum und num, und oana hoit
si z’ruck, blockiert die andern, kenna uns am Oasch dann leckn,
der Siega hot nia niamois wos bereut.“
Die anderen verstehen nichts, und Alma, Adelige aus Stendal,
tut so, als wär sie eine Fremde, als verstünde sie kein Wort.
Pal und Cranston reden englisch, „four rounds all in all“,
und Wouters und Latigue sprechen so in einem fort.
Larry Wanton und zwei andere Kanadier
sind sehr am Diskutieren, es gibt ihnen zu denken
ein Los-Angeles-Hochradmodell, das hier
nur kaum entfernt dalehnt, wie kann man das denn lenken?
Es gehen wohl ein paar Radfahrer vorüber, andächtig
Und zeigen scheue Blicke, denn die Hochradfahrer
sind wie früher eine Kaste, von Geblüt und mächtig,
das Höchste einfach, nichts im Veteranensport ist wahrer
und nichts riskanter, als von hoch dort oben, arrogant und prächtig
die Welt sich anzusehn, tretend in Pedale stolz und kalt,
da macht’s auch nicht, wenn man ist schmächtig,
nicht jeder König hatte eines Königs würdige Gestalt.
Rudi und Anne gehen auch vorbei und grüßen ergeben.
„Die Hochradtruppe“, sagt er. „Vor hundertdreißig Jahren
Wollte der gemeine Mann gerne erfahren,
wie’s ist, adlig zu sein hoch oben auf dem Pferd.
Der kleine Mann erhob sich, manchmal fiel er, doch es war es wert.
Es ändert nichts, doch immerhin, man fühlt sich besser,
fast ebenbürtig, ist mehr als bloß ein überflüss’ger Esser.“
Anne hat das wohl gar nicht gewusst, nur dass man sehr tief fiel,
dass Köpfe brachen und auch Knochen, das Hochrad sich nicht lohnte,
weshalb das „Safety“ mit gleichgroßen Rädern hatte leichtes Spiel
und nach so fünfzehn Jahren leicht das hohe Rad entthronte.
Sandor Derty, ein Ungar mit entwaffnend hilflosem Blick
Setzt sich bescheiden an des Hochrad-Olymps Kante,
Nobel und Bachleitner werden grob: „He, Junge, guter Trick,
doch nicht mit uns, wir kennen dich noch nicht, schick deine Tante,
damit sie dich uns vorstellt.“ Sandor versteht keinen Ton,
meint aber, dass sie wohl sein Hochrad sehen wollen,
steht auf und weist zwei Häuser weiter, sie verstehen schon,
die beiden äugen, und dann lassen sie die Augen rollen.
„Nach einem Original sieht mir das aus“, sagt Nobel.
Womöglich Frankreich, einundsiebzig“, meint er kennerhaft.
„Nein, Tschechien und achtundsiebzig“, sagt ein Mann aus Rehetobel,
Claude, der grad vorbeikommt, „und Sandor, der ist sagenhaft.“
„Na, soll er bleiben“, meint der Bachleitner gemütlich,
„da nimm nen Schluck, und in zwei Stunden wer’n wir dich besiegen.“
Der Ungar trinkt, man einigte sich also gütlich.
Und Alma lächelt: „Dieser Ungar wird euch beide kriegen.“
Die adelige Alma hat zum Hochradfahren grad die richtige Figur:
klein, dünn und leicht, den Anzug einer Turnerin, im Haare eine Blüte,
Pål Janssen übrigens mit weißem Vollbart ist eine Wikinger-Natur,
die gerne lacht; Rennen ernst zu nehmen, kommt nicht in die Tüte.
Nobel und Bachleitner sind groß und stämmig, so geschaffen
durch dicke Knödel, fette Soßen und den Schweinebraten,
wogegen Wouters und Latigue den andern ihre straffen,
gar nicht schlaffen Beinpartien zeigen, schon bereit zu großen Taten.
Auf der Terrasse des Hotels steht eine Champagnerflasche,
ach was, zwei sind’s! Staller, Twain und Reuss und Rogoff
lösen an dem ersten Korken grad die erste Lasche,
da kommt die Tillingham, Hand in Hand mit Bykow.
Sibylle steht beiseit und hält dem Peter Rogoff schon ein Glaserl hin
Staller ruft: „Nun alle sind gemeldet, die erste Phase ist gelungen,
das ist schon eine Feier wert, ein Prosit, auf den Hauptgewinn!
Wär schon die zweite Hürde nach dem Markt schon übersprungen!“
Twain wendet sich zu Reuss: „Als nächstes werden aufgeboten
die Helden für die großen Rennen, zwei Uhr Hochrad, drei Uhr Exoten.
Um vier Uhr die Normalräder, schon wär der Tag gelungen.“
Dorothy äußert, während sie trinkt, auf Art der Briten leicht pikiert,
dass man in einem Rennen echte alte und die nachgemachten Räder hätte,
entspräche nicht dem Reglement; das sei nicht fair, sagt sie geziert,
doch nach dem dritten Glas meint sie, fahrn sie eben um die Wette,
wenn Vladi bei ihr sei, sei ihr das sowas von egal.
Doch nicht egal sei ihr, dass heut die Presse sei vertreten,
zweihundert Jahre nach des Drais‘ Erfindung hier im Tal.
Rogoff errötet, und Sibylle nähert sich, ganz ungebeten,
reicht ihm ein neues Glas, er sieht es, nimmt’s aus ihrer Hand,
und Twain und Reuss lächeln ganz leise, alle trinken,
so schafft die Liebe zu den alten Rädern manches Band,
und neue Horizonte, neue Länder, zu erobern, winken.
(Der Fahrradhistoriker steht abseits. )
„Der Historiker!“ flüstert Siegfried Staller, zeigt ihn Terry Twain.
„Der stört uns dauernd unsre Kreise, lungert da herum.“
Twain meint: „Gehört er nicht dazu? Er soll nicht abseits stehn.“
Saller steht auf und ruft: „Herr Steisbein, seien Sie nicht dumm
Gesellen Sie sich doch zu uns, Sie sind nun eingeladen.
Der Anfang unsres Treffens ist schon wohl geraten,
Begeben Sie sich doch zu uns und überwinden Sie den Groll.
Sie wenn auch wären hier von der Partie, fänd ich das toll.“
„Er kann doch unser Hochradrennen starten.“
Der Vorschlag stammt von Reuss. Die andern stimmen zu.
Verwundert ist der Radgelehrte, will jetzt nicht warten,
sieht freundliche Gesichter, nimmt Platz und an ein Glas im Nu.
„Herr Doktor Karl-Heinz Steisbein“, stellt Staller ihn gleich vor den Gästen,
„die meisten kennen ihn von seinen meisterhaften Radartikeln
In dem Journal „Der Knochenschüttler“, und die besten
gibt’s ja in einem Buch, er lässt sich gern in eine Diskussion verwickeln.
„Das ist historisch“, murmelt Steisbein, „die zweihundert Jahre,
verdanke ich der stählernen Victoria, die täglich ich noch fahre.
Der Drais war ein richtiger Chaot, Erfinder, körperlich doch schwächlich,
den alten Goethe kannte ich leider nur oberflächlich.
geradelt bin ich auch zu Mörike und Hölderlin nach Tübingen,
wo’s war, dass mit der Schwäbschen Dichterschule wir anfingen.“
Vaclav Terezin schiebt sein Laufrad herbei, eins mit ledernem Sitz. Steisbein:
„Und da kommt die Geschichte, meine Herren, wie gerufen!
Ein dicker Tscheche mit dem Rad, wie es die Alten schufen,
wie das, mit dem der Drais von Mannheim bis nach Schwetzingen es fuhr,
sein Fahrzeug ist ein Nachbau; das wahre Rad, es legte eine neue Spur
in die verzopfte Zeit des alten und verschlafnen Biedermeier.
Nun bin ich ruhig, was für eine schöne Feier!“
„In einer Stunde geht es zur Hochradmeisterschaft im Tal“,
kündigt da Staller an, „wir sehen noch einmal
die alte Herrlichkeit der adligen Athleten.“
„Und alte Lüfte durch die Täler wehten“,
zitiert der Radhistoriker, ist wohl von nem großen Poeten,
und wie er’s sagte, war das schön, als würde einer beten.
Vaclav dreht nun eine Runde, quietschend, wackelnd, mit Bedacht
um die Versammlung an dem Tisch, bekommt ein Glas
Und salutiert – er trägt ja Uniform und Mütze -, und er lacht.
„Vergesst nicht die Geschichte“, mahnt er deutsch, „sie sagt uns was.“
Worauf nun alle nicken. Carl Reuss steht auf und deutet wie Napoleon
in Jena-Auerstedt auf seinem Feldherrnhügel auf das stille Land
dort unten. „Die Wettbewerbe! Viele Fahrer warten schon!“
Da ist ein riesiges Oval gut ausgezeichnet wie ein großes Band.
Man löst die Tafel auf. Dort hinunter geht nun eine Prozession,
vom Campingplatz lösen sich immer mehr Gestalten und Geräte.
Von fernher kommen Autos, gehen viele Menschen, obschon
Noch fehlen vierzig Minuten, bis man das erste Rennen starten täte.
Wir haben Juni, frühlingshafte Luft, Wolken wie aus Watte in dem Blau,
durch das drei Greifvögel in Kreisen schweben, schrille kreischen,
im Ganzen eine Szenerie wie in dem fast dreidimensionalen Bau
eines Gemäldes von Corot oder Millet, die die Bewunderung erheischen.
In dieser Klarheit sieht das nur, wer oben blieb in dem Hotel,
so sieht es wie gebannt der alte freundliche Rezeptionist,
die Äcker braun, die Wiesen grün, die Lüfte und das Oval hell,
und so sieht es auch der Pilot einer gelbgrünen Cessna, die weit oben ist.
Nächste Ausgabe (morgen): die großen Rennen